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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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beharrte, könnte Gott aufhören, ihn am Leben zu erhalten?
    Einige Tage darauf erfuhren wir von Fogacer, daß ein weiterer Jesuit, der Pater Hardy, eine noch weniger verhüllte Drohung gegen Seine Majestät ausgestoßen hatte. In Anspielung auf die Millionen, die in der Bastille lagerten, hatte er gesagt, »die Könige sammeln Schätze, auf daß man sie fürchte, doch es genügt ein Bauer, und der König ist matt.«
    Mein Vater war entsetzt.
    »Aber das ist ja ein regelrechter Aufruf zum Mord!«
    »Ja«, sagte La Surie, »diese Leute verstehen sich aufs Schachspiel. Unsere Königin haben sie schon gewonnen.«
    »Und zwei Offiziere«, sagte ich.
    »Wen meint Ihr damit?« fragte mein Vater.
    »Condé und Épernon.«
    »Ja«, sagte mein Vater, »der König hat wahrhaftig einen Fehler begangen, Condé nicht festzusetzen, als der davon sprach, das Reich zu verlassen. Und er hat allzulange gewartet, Épernon zu schlagen. Der ist der gefährlichste von allen.«
    ***
    Als der König mich Anfang Januar in den Louvre befahl, fragte er sofort, ob ich jetzt imstande sei, einen französischen Brief ins Deutsche zu übersetzen. Ja, sagte ich, aber mit unsicherer Stimme, denn so eifrig ich die Sprache auch studiert hatte und meiner Gräfin weiterhin monatlich zwei Briefe schrieb, zitterte ich im stillen doch, ich könnte in dem Brief, den er mir diktieren würde, auf zwei, drei diplomatische odermilitärische Begriffe stoßen, die ich nicht kannte. Da der Brief aber an den Kurfürsten von der Pfalz gerichtet war, der, wie ich durch Ulrike wußte, sehr gut Französisch sprach, beruhigte ich mich damit, daß ich ein mir unbekanntes Wort getrost auch in meiner Sprache hinsetzen könnte.
    Ich hatte Glück. Das einzige Wort, das mir in dem langen Brief fehlte, war »contrat«. Nach kurzem Zögern entschloß ich mich, es wenigstens äußerlich einzudeutschen, und schrieb »Kontrat«. Zu Hause dann stürzte ich mich auf mein Wörterbuch und sah: es fehlte nur ein Buchstabe, das deutsche Wort hieß »Kontrakt«. Hätte ich mir das nicht denken können, da es vom lateinischen »contractus« abgeleitet war? Und warum, zum Teufel, hatten die Franzosen in ihrer Schlampigkeit das zweite »k« fallenlassen, das dem Wort »Kontrakt«, wie ich fand, etwas viel Ernsthafteres, Strengeres und Zwingendes gab?
    Noch mitten im französischen Diktat nun wurde an die Tür des kleinen Kabinettes geklopft, wo Seine Majestät und ich am Werke waren, und Beringhen, der offenbar als einziger im Louvre wußte, wo der König sich aufhielt, meldete ihm, der päpstliche Nuntius Ubaldini sei seiner Einladung gemäß in unseren Mauern eingetroffen.
    »Führ ihn herein«, sagte der König kurz angebunden.
    »Hierher, Sire?« fragte Beringhen, der zweifellos dachte, daß man den Nuntius des Papstes nicht in einem kleinen Raum mit so wenig Möbeln empfangen könne.
    »Du hast mich gehört!«
    »Aber, Sire, außer dem Schemel, auf dem Euer Dolmetsch Platz genommen hat, ist hier nichts, um sich zu setzen.«
    »Laß einen Lehnstuhl herschaffen, bevor du den Nuntius hereinführst.«
    »Und Ihr, Sire?«
    »Ich stehe.«
    Beringhen warf einen Blick auf mich und sah den König an.
    »Was hast du, Beringhen?« fragte Henri barsch.
    »Für gewöhnlich, Sire, empfangt Ihr den Nuntius in Anwesenheit Eurer Räte.«
    »Heute nicht.«
    »Aber der Nuntius, Sire, ist mit allen seinen Geistlichen eingetroffen.«
    »Er soll allein kommen!«
    »Ja, Sire.«
    Nach einem letzten Blick in meine Richtung machte Beringhen eine tiefe Verbeugung und verschwand. Sein Blick war so beredt gewesen, daß ich vorsichtshalber fragte: »Sire, soll ich mich zurückziehen?«
    »Habe ich das gesagt?« fragte der König unwirsch.
    Mit heftigem Schritt, die Hände auf dem Rücken, begann er durch den Raum zu wandern. Nur mit Not schien er den Zorn zu bemeistern, den die Ankunft seines Besuchers in ihm erweckte.
    »Siorac«, sagte er, »dreh dich mit der Nase zum Fenster. Und schreib auf einem anderen Blatt alles mit, was du hörst.«
    »Ja, Sire.«
    Zwei Lakaien brachten einen Lehnstuhl herein, und zu meiner großen Zufriedenheit stellte ich fest, daß ich ihn, wenn ich meinen Schemel leicht verrückte, dank eines Florentiner Spiegels, der an der Wand hing, gut im Auge haben konnte. Die Frage war nur, ob ich Zeit finden würde, den Besucher zu beobachten, wenn ich seine Worte mitschreiben mußte.
    Ich hörte seine Stimme, bevor ich ihn sah, denn da der König ihn nicht gleich aufforderte, Platz zu nehmen,

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