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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Tat nicht der Subtilität. Die römische Kurie widerrief nicht jenes Verbot als unhaltbar, sie gab einfach einen neuen Index der verbotenen Texte heraus, in welchem zwar die
Weltgeschichte
des Präsidenten De Thou verzeichnet war, nicht aber das Todesurteil gegen Châtel.
    »Was hilft das noch!« sagte mein Vater. »Die Botschaft ist heraus! Und seid gewiß, daß sie von Kirchturm zu Kirchturm fliegt, von Sakristei zu Sakristei, von Kloster zu Kloster! So stiftet man heutzutage Mord und wäscht seine Hände in Unschuld.«
    ***
    Wie mein Vater es vorausgesagt hatte, schleppten sich die Verhandlungen, um die Prinzessin heimzuholen, ohne Ergebnis hin, und ein Versuch, sie aus Brüssel zu entführen, schlug großenteils deshalb fehl, weil der König zu früh Sieg geschrien hatte. Den Prinzen von Condé aber erschreckte dieser Versuch derart, daß er die Prinzessin in der tugendstrengen Obhut der Erzherzöge ließ und auf Umwegen nach Mailand ging, wo er sich den Händen des Comte de Fuentes überantwortete, und das war ein geschworener Feind Frankreichs. Und natürlich war der Erste Prinz von Geblüt für Spanien und Fuentes ein um so wunderbarerer Trumpf, als der Prinz keinen blanken Sou besaß und zum Leben gänzlich von fremdem Gelde abhing. So fiel es Fuentes leicht, ihn zu einer Erklärung zu veranlassen, in welcher er Henri Quatre der »Tyrannei« gegen ihn verklagte(und ich betone noch einmal die Folgenschwere dieses Wortes »Tyrannei«, da es nach der jesuitischen Kasuistik erlaubt war, einen Tyrannen zu töten). Außerdem behauptete der Prinz auch noch, die Scheidung des Königs von Königin Margot sei ungesetzlich gewesen, folglich sei Maria von Medici nicht Henris legitime Gemahlin und der Thronfolger Louis ein Bastard.
    »Mit dieser Erklärung«, sagte Fogacer, den wir in unserer Ratlosigkeit um Hilfe anriefen, »vermeldet man den Anspruch des Ersten Prinzen von Geblüt auf den französischen Thron für den Fall, daß Henri stirbt ... Ob aber der Prinz selbst so große Lust hat, dieses gefährliche Spiel bis zum Ende durchzuhalten, bezweifle ich. Allzuleicht könnte man ihm seine eigene höchst zweifelhafte Legitimität an den Kopf werfen. Und trotzdem halten die Spanier mit ihm einen hervorragenden Bauern in Händen und können ihn benutzen, wie Philipp II. den Herzog von Guise gegen Heinrich III. benutzte: als Fanal, um die Ligisten, die Unzufriedenen und die Verräter zu sammeln.«
    »Ihr habt recht, Fogacer«, sagte mein Vater. »Der Krieg ist noch nicht einmal ausgebrochen, da beginnt er für die Spanier schon sehr gut. Und außer dem Prinzen in Mailand haben sie ein noch kostbareres Pfand in der Person der Prinzessin in Brüssel. Und für dieses werden sie zum gegebenen Zeitpunkt einen hohen Preis verlangen – an Grenzfesten, an Land, an Ehre, an Prestige.«
    Der Versuch, die Prinzessin aus Brüssel zu entführen, und die Mailänder Erklärung des Prinzen hatten, wenn ich nicht irre, Ende März 1610 statt. Anfang April wurde ich von Henri in den Louvre bestellt, um einen Brief an einen deutschen Fürsten zu schreiben. Der König war so ruhig und entschlossen, wie ich ihn an jenem verhängnisvollen Abend, als er seine Geliebte verlor, zerfahren und verzweifelt gesehen hatte. Er diktierte seinen Brief, als läse er ihn aus dem Kopfe ab, und ich auf meiner niederen Dienststufe war nicht weniger ruhig, denn diesmal hatte ich mir ein kleines deutsches Wörterbuch für den Notfall mitgebracht, der aber nicht einmal eintrat.
    Als ich nach getaner Pflicht, wie jedesmal, den Dauphin besuchen wollte, hoffte ich, auch Mademoiselle de Fonlebon wiederzusehen, denn ich wußte, daß sie ihm gegen sechs Uhr einen guten Abend zu wünschen pflegte und sich auf beide Wangen küssen ließ. Doch es kam anders. Der Dauphin war,wie ich von einem Pagen hörte, bei der Königin, dafür stieß ich, als ich eben dort kehrtmachte, zu meiner großen Freude fast mit Mademoiselle de Fonlebon zusammen. Aber ich erschrak, als ich sie blaß und mit rotgeweinten Augen sah, und fragte sie nach dem Grund ihres Kummers.
    »Ach, lieber Cousin«, sagte sie, indem sie meine beiden Hände faßte, »ich wünschte, ich wäre häßlich! Dann wäre das Unglück nicht über mich gekommen, in das mein bißchen Schönheit mich stürzt.«
    »Euer bißchen Schönheit?« fragte ich und führte ihre Hände an meine Lippen. »Liebe Cousine, Ihr lästert!«
    »Das Schlimmste daran ist«, sagte sie, während sie mir ihre Hände überließ, »daß ich

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