Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
nein! Die Gräfinmachte etwas ganz anderes. Sie nahm den Schleier von ihrem Haupt, warf ihn den Schuldigen über die Füße und ging von dannen. Als die Fee erwachte, sah sie den Schleier und stieß einen lauten Schrei aus. ›Ach, mein Freund!‹ sprach sie und schluchzte (denn Fee hin, Fee her, weinen konnte sie trotzdem), ›nun ist es mit unserer schönen Liebe vorbei! Ich darf Euch nie mehr besuchen. Nicht einmal in Eurer Nähe darf ich weilen, nur mehr als hundert Meilen entfernt!‹ Doch ehe sie den Grafen verließ, machte sie ihm für seine Töchter drei Geschenke: einen silbernen Becher für die älteste, einen vergoldeten Löffel für die mittlere und für die jüngste einen goldenen Ring. ›Mögen Eure Töchter und ihre Nachkommen diese bescheidenen Gaben bewahren. Sie werden ihnen alles Glück der Welt bescheren.‹«
»Und der Graf?« fragte eine der Nichten.
»Mein Kind«, sagte Bassompierre, »ich weiß Euch großen Dank, daß Ihr seiner so mitfühlend gedenkt. An Euch ist alles schön und gut, mein Kind: so das Herz, so der Busen, der es schmückt. Der Graf, Kindchen, ging schweren Schrittes zu seiner Burg, hängte betrübt seine Büchse über den Kamin und sagte zu seiner Gemahlin: ›Nun geh ich nie wieder in den Wald. Ich entsage der Jagd auf dem Anstand.‹ Und um ihr seine Aufrichtigkeit zu beweisen, machte er ihr ein Kind. Es war ein Sohn. Doch gab es wenig Anlaß, sich seiner zu freuen, denn weil er die Frucht der Entsagung war, sah er schon bei seiner Geburt verdrießlich aus. Und sowie er gehen konnte, schritt er von Unglück zu Unglück bis ans Ende seiner Tage. Er liebte das Leben nicht, und das Leben vergalt es ihm.«
»Und die Töchter?« fragte mein Vater.
»Die Töchter«, rief Bassompierre aus, »da liegt eben der Zauber! Als ob es nicht schon Wunder genug wäre, wie die heidnische Fee eine christliche Ehe respektierte. Allerdings war es eine deutsche Fee, sie hatte Ordnungssinn. Gut, ihr wißt wohl noch, meine Schwälbchen, daß die älteste einen silbernen Becher bekam, die mittlere einen vergoldeten Löffel und die jüngste ...«
»Einen goldenen Ring«, sagte die kokette Nichte.
»Nun, eine jede wachte eifersüchtig über das Geschenk der Fee, und sie befanden sich wohl dabei. Sie wurden alle drei wunderbar schön und, was noch besser ist, sie blieben es bisins hohe Alter. Dazu wurde ihnen, wie es die Fee versprochen hatte, alles Glück der Welt zuteil, oder wenigstens all das Glück, das eine jede sich wünschte. Die Älteste, die den Reichtum liebte, heiratete einen Markgraf, der ein Jahr darauf starb und ihr unermeßlichen Besitz hinterließ. Die mittlere, die nach Glanz und Ehren strebte, bekam einen österreichischen Erzherzog. Und die Jüngste, welche die Männer zu sehr liebte, um sich an einen zu halten, hatte Liebhaber in großer Zahl und alle, wie ich hörte, so befriedigend, daß man sich wunderte, warum sie sie so oft wechselte.«
»Und von welcher stammt Ihr ab?« fragte La Surie.
»Von der Jüngsten natürlich. Und dieser Ring hier an meinem linken Mittelfinger, das ist der ihrige. Gleichwohl habe ich vom Glück keine so begrenzte Vorstellung wie sie. Ich bin gewiß zufrieden, daß ich soviel Glück in der Liebe habe, und im Spiel, und in meinen Studien. Aber ich wollte, ich hätte es auch in großen Unternehmungen.«
Die fünf Nichten waren aufgestanden, das Kleinod von nahem zu betrachten. Sie umringten Bassompierre, bückten sich neben ihm, beugten sich hinter ihm, hockten um seine Knie. Es war ein sehr anmutiges Bild, denn die Hübschen waren in hellfarbige Schnürmieder und Reifröcke, hauptsächlich rosa und malvenblau, gekleidet, die ihre jugendliche Süße voll zur Geltung brachte. Allzugern hätte ich in ihrer Betrachtung verweilt oder gar eine imaginäre Wahl unter ihnen getroffen, hätte nicht die Brise auf einmal kräftig von rückwärts geblasen. Die Schiffer beeilten sich, das viereckige Segel zu hissen, und als sie damit nicht ohne etliche deutsche Flüche fertig waren, überließen wir Bassompierre seinen Nichten, begaben uns zum Bug und bewunderten, mit welcher Kraft der Vordersteven das Wasser pflügte, das rechts und links in eleganten Schwüngen mit einem Geräusch wie reißende Seide zurückfiel.
»Vater«, sagte ich nach einer Weile, »was meint Ihr zu der Geschichte, die Monsieur de Bassompierre uns erzählt hat?«
In einem Ton, der zwischen Scherz und Ironie zu schwanken schien, sagte er: »Ihr wißt doch, daß unser katholischer
Weitere Kostenlose Bücher