Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Fragen: das wären sie auch nur, wenn meine Antworten es wären. Ich bin meiner Worte Herr, wie ihr wißt.«
Hierauf wußten die Schwälbchen nicht, sollten sie lächeln oder gekränkt sein, also senkten sie die Augen, und das Schweigen wurde noch dichter.
»Nun hört aber!« sagte Bassompierre. »Muß ich euch die Zunge lösen? Der ersten, die mir die besagte Frage ›von großer Konsequenz‹ stellt, gebe ich diesen Rubinring, den ihr hier an meinem kleinen Finger seht.«
»Gut, dann rede ich eben«, begann lebhaft die Kokette mit dem Marzipan, die mir als die bei weitem durchtriebenste erschien. »Monsieur, wir wollen Euch fragen ...«
Damit stockte sie, und Bassompierre, der den Rubin schon vom Finger gezogen hatte, schob ihn wieder an seinen Platz.
»Schön«, sagte er, »wer nichts sagt, kriegt nichts.«
»Monsieur«, fing das Mädchen wieder an, »wir möchten Euch fragen: Ist es wahr, daß ...«
»Nun sprich schon!«
»Ist es wahr, daß eine Fee sich einst in einen Eurer deutschen Vorfahren verliebte und daß Ihr deshalb ein so schöner Kavalier seid?«
»Das mit der Fee ist wahr«, sagte Bassompierre. »Und wahr ist auch, daß ich von dieser Liebe ein besonderes Privileg geerbt habe. Aber nicht das, was ihr meint.«
»Ach, erzählt uns den Roman«, riefen die Nichten mit einer Stimme. (Ein dummer Ausdruck, ich benutze ihn nur, damit es flüssig weitergeht.)
»Das ist kein Roman«, sagte Bassompierre. »Darin gibt es keine Astrée, die einen Céladon schmachten läßt. Bei Feen geht alles viel natürlicher zu als bei unseren hohen Damen, denn weil sie unsterblich sind, haben sie keine Ehre zu verteidigen.«
»Monsieur«, sagte eine der Nichten, »das verstehe ich nicht.«
»Du wirst schon verstehen, hör zu. Eines Tages ging der Graf von Orgevilliers, mein deutscher Vorfahr, durch einen Wald, wo er immer auf den Anstand jagen ging, da begegnete ihm eine wunderschöne Fee. Nachdem sie ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet hatte, faßte sie ihn bei der Hand und führte ihn ohne ein Wort in ein
Sommerhaus 1 ,
das übrigens dem Grafen gehörte. Dort entkleidete sie sich und gab sich ihm hin.«
»Wie?« fragte die Kokette mit dem Marzipan, »er hat ihr nicht den Hof gemacht? Einfach so und ohne ein Wort zu sagen?«
»Die Worte kamen hinterher. Aber hüte dich, Kleine, die Fee insgeheim für eine schamlose Person zu halten, sie würdedeinen Gedanken bestimmt hören und dich mit ihrem Zauberstab genauso häßlich machen wie Leonora Galigai.«
»Leonora Galigai hat noch nie einer gesehen!« sagte La Surie.
»Doch, ich!« sagte Bassompierre. »Sie lebt im Louvre völlig zurückgezogen über den Gemächern der Königin. Eines Nachmittags saß ich mit Ihrer Gnädigsten Majestät beim Spiel, da trat Leonora Galigai herein. Kaum erblickte sie mich, huschte sie auch schon fort. Es war wie ein Blitz. Aber ich sah zweierlei: ihre Häßlichkeit und ihre geistsprühenden Augen. Wo war ich stehengeblieben?«
»Bei den Worten der Fee, die hinterher kamen«, sagte mein Vater.
»Ihre Rede war knapp. Wenn man die ganze Ewigkeit vor sich hat, braucht man seine Zeit nicht an unnütze Worte zu verschwenden. ›Mein Freund‹, sprach sie mit ihrer wohlklingenden Stimme, ›kommt nächsten Montag wieder auf den Anstand jagen.‹ Damit verschwand sie. Und der Graf kehrte heim, im Leibe das Glück, aber die Seele voll Sorgen. Es war ein guter Deutscher, besonnen und arbeitsam. Er scheute keine Mühe, seinen Besitz zu mehren. Er hatte drei Töchter, die er ohne Narretei liebte, und eine Frau, an die er sich gewöhnt hatte. Und natürlich fürchtete er, bei diesem seltsamen Abenteuer Haus und Hof, Töchter und Frau zu verlieren, von seiner Seele ganz zu schweigen.«
»Verlor er sie?« fragte mein Vater.
»Durchaus nicht. Sein Besitz gedieh, seine Töchter wuchsen in Schönheit heran, seine Frau wurde freundlicher als je. Das zum Beweis, daß die Fee kein Sukkubus war, wie der Graf zuerst befürchtet hatte. Nach zwei Jahren indes bemerkte seine Frau, die im Kopf ein bißchen langsam war, daß ihr Mann immer am Montag mit leerer Jagdtasche heimkehrte. Das gab ihr zu denken, und eines Montags nun folgte sie der Spur des Grafen bis zu dem Anstand im Wald. Der war verlassen. Sie ging zu dem Sommerhaus, da fand sie auf einem Lager, nackend, in tiefem Schlaf und innig umschlungen, ihren Mann und die Fee.«
»Da zog sie ihr kleines Schwert blank und durchbohrte ihnen die Brust.«
»Pfui! So ein Salat in einem Sommerhaus,
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