Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
einer so geübten Sicherheithandhabte, daß man auf sein Alter nicht gefaßt war, denn er war wohl kaum über sechs oder sieben Jahre.
    Ich verharrte, und da es mich belustigte, daß er beim Trommeln eine so straffe, soldatische Haltung wahrte, machte ich das Spiel mit und nahm einige Schritt vor ihm Habachtstellung ein.
    Die Verstärkung schien ihn sehr zu freuen, doch bekundete er dies nur durch einen raschen Blick, denn er war gleich wieder voll bei der Sache, so daß ich ihn in aller Muße betrachten konnte. Seine Augen, die er gesenkt hielt, waren schwarz, wie ich mich entsinne, seine Nase schien mir ein bißchen lang, seine Lippen waren voll und rot, die Wangen kindlich, ich meine, runder als meine, und sein Kinn war vorspringend, aber keineswegs ohne Liebreiz. In dem Moment hob der Kleine die Augen und warf mir einen Blick zu, und ich fühlte, daß ich ihn gern mochte. Wenn ich dies heutigentags erklären sollte, wüßte ich es schwerlich zu sagen: vielleicht, weil sein Blick mir offen begegnete und weil er sich über meine Gesellschaft zu freuen schien. Sollte der Sohn von Monsieur de Mansan sich nicht ein wenig einsam fühlen in diesem Garten und diesem Schloß? Vielleicht war es ihm verboten, mit den Kindern des Königs zu spielen?
    Er kam mit dem »Ruf zu den Waffen« ohne jeden Fehler bis zum Schluß, dann schickte er dem letzten Rollen mit seinen Stäben einen Wirbel nach, der einem gestandenen Tambour zur Ehre gereicht hätte. Hierauf steckte er sie nacheinander in die parallelen Futterale an seinem Degengehänge, und sofort lockerte sich seine Haltung, er gönnte sich eine Pause. Wahrscheinlich hatte er eine für mich unhörbare Stimme gehört, die es ihm befahl. Er blickte mich an. Vielmehr, er blickte mit großer Aufmerksamkeit abwechselnd auf meine Armbrust, mein Gesicht und meinen Hut. Schließlich sagte er mit einer Miene höflicher Mißbilligung: »Möschjö, Ih schieht Euen Hut nicht vo mi ...«
    Er hatte nicht nur Schwierigkeiten, das »s« und das »z«, die er zum »sch« machte, und das »r« zu sprechen, das er ausließ, sondern er stotterte auch leicht.
    »Muß ich das, Monsieur?« fragte ich, indem ich ihm den liebenswürdigen Ernst bezeigte, in dem mein Vater mit mir sprach.
    »Isch bin schiche, dasch Ih esch müscht«, sagte er und musterte mich streng.
    »Monsieur, ich entblöße mich sofort«, sagte ich im selben Ton, »nennt mir nur zuerst Euren Rang.«
    »Isch bin«, sagte er und versuchte, eine Kommandeursstimme anzunehmen, »Hauptmann de fanschöschischen Gaden. Ich befehlige dasch schwanschigste hie im Schlosch.«
    Mich rührte die Naivität, mit der er sich für seinen Vater ausgab, und fügte mich in sein Spiel, da es ihm soviel Spaß machte.
    »Monsieur«, sagte ich, indem ich mit großer Geste meinen Hut lüftete und mich verneigte, »ich bin Euer Diener.«
    »Diene, Möschjö«, sagte er würdevoll, »wie heischt e?«
    Er stellte die Frage im Ton eines Offiziers, der sich an einen Soldaten wendet.
    »Pierre-Emmanuel de Siorac. Monsier, darf ich mich bedecken?« fragte ich. »Es ist heiß.«
    »Tut dasch, Schioac.«
    Da mein Hauptmann nun stumm blieb, wohl, weil er keine weiteren Befehle mehr wußte und vielleicht auch durch die Größe seines Rekruten eingeschüchtert war, setzte ich das Spiel fort.
    »Monsieur, darf ich eine Frage stellen?«
    »Tut dasch, Schioac.«
    »Wie kommt es, Monsieur, daß Ihr die Trommel bedient, da Ihr doch Hauptmann seid?«
    »Ich eschetsche den Tambu. E isch kank.«
    Offenbar war der Einwand im voraus bedacht worden, denn die Antwort kam prompt.
    Er fragte: »Schiescht Ih mit de Ambuscht?«
    »Nein, ich habe es noch nicht versucht.«
    »Kommt mit, da isch eine Schiescheibe.«
    Er nahm wieder Haltung und seinen soldatischen Ton an.
    »Ich maschie alsch eschte. Ich schlag den Tambu, und Ih müscht mi folgen.«
    »Monsieur, was spielt Ihr jetzt?«
    »Die Schlachtenode, natülich.«
    Die Sache ging ganz selbstverständlich vonstatten, da ich alle hundert Mann seiner Kompanie darstellte. Ich folgte ihm, indem ich versuchte, mich seinem Schritt anzupassen, wasnicht ganz einfach war bei meinen langen Beinen und seinen kurzen. Trotzdem kam ich nicht auf die Idee, daß man es unsäglich komisch finden könnte, wie ein langer Bursche die ganze französische Garde vorstellte und mit Trippelschritten hinter einem kleinen Tambour ging. Der Grund, aus dem ich das tat, war in meinen Augen genauso wenig komisch, wie wenn mein Vater sich längelang zu mir auf

Weitere Kostenlose Bücher