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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Dame, die auf meine schüchternen Annäherungen in schroffstem Ton antwortete: »Junger Freund, ich jage nicht mit Falkenkücken. Geht spielen.«
    Leider sagte mein Vater mir ungefähr das gleiche, nachdem der Wachhauptmann unsere Pässe geprüft und uns zum Schloßtor eingelassen hatte. »Mein Sohn«, sagte er, »mein Gespräch mit Héroard wird sich ziemlich hinziehen. Ihr würdet vor Langeweile vergehen. Erwartet mich lieber im Garten des Schlosses. Er ist sehr groß, und hinter seinen hohen Mauern findet Ihr sicherlich einen stillen Winkel, Eure Armbrust zu erproben. Dann habt Ihr sie wenigstens nicht umsonst mitgebracht.«
    Hiermit wandte er sich an den Hauptmann, der ihm soeben Zutritt zum Schloß gewährt hatte, und fragte: »Monsieur de Mansan, spricht irgend etwas dagegen?«
    »Keineswegs«, sagte Monsieur de Mansan. »Zu dieser Stunde ist niemand im Garten, außer vielleicht meinem Sohn.«
    Mit gesenkten Augen fügte ich mich so höflich ich konnte der Anordnung meines Vaters, grüßte Monsieur de Mansan und schritt auf den Garten zu, der sich zu meiner Linken erstreckte. Ich fühlte mich tief gekränkt, daß man mich aus der Gesellschaft der Erwachsenen ausschloß und in die Kindheit und zu ihren nichtigen Spielen zurückverwies, obwohl ich mein Interesse für die Welt schon so vielfach bewiesen hatte. Über dieser Ungerechtigkeit schwoll mein Herz vor Zorn, und sobald ich außer Sichtweite war, ließ ich mich gehen und trat wütend gegen einen Stein, dem ich gewiß weniger weh tat als mir. Ja ich dachte sogar daran, meine kleine Armbrust an einem Baum zu zerschmettern, denn so schön und begehrenswert ich sie gefunden hatte, als ich sie vor fünf Tagen im Fenster eines Handwerkers ausgestellt sah, so sehr haßte ich sie jetzt. Nicht doch! dachte ich noch wütender, wenn ich sie zerschlage, dann werde ich erst recht für kindisch gehalten!
    Wie kommt man da jemals heraus! dachte ich verzweifelt. Wozu nützt es einem, daß man Latein lernt, fließend Italienisch und ziemlich gut Englisch spricht, daß man einen Schimmer von Mathematik hat und die endlose Reihe unserer Könige auswendig kennt samt den Schlachten – siegreich odernicht –, in denen sich ihre Waffen ausgezeichnet haben, wenn sie einen dann wie ein Bübchen zum Spielen in den Garten schicken. Bin ich nicht, dachte ich im Gedanken an Toinon, überhaupt längst ein Mann? Wenigstens beweise ich es doch wohl alle Tage?
    Nie wurde ein schönerer und mannigfaltiger angelegter Garten mit so undankbaren Augen für seine Schönheiten gesehen. Alles, was ich mir davon gemerkt habe, war hie und da die glühende Sonne, der ich fluchend auswich, eine Platanenallee, eine Laube und ein abgeschlossener Platz zum Bogenschießen. Die Platanen suchte ich auf wegen des Schattens, nicht wegen ihres majestätischen Anblicks. Indessen wirkte ihre Kühle bald wohltuend auf mich. Mein Schritt wurde langsamer, ich beruhigte mich, und nach einer Weile empfand ich Scham, daß ich in meinem Herzen so gegen den besten Vater der Welt gewütet hatte. Ich entsann mich, wie er mich umsorgt hatte, als ich klein war, wie er meine Fehler gutmachte, ohne Hohn und ohne Kränkung; er war unerbittlich in seinen Anordnungen, ja, aber immer bereit, zu verzeihen; nie hat er erlaubt, daß ich gezüchtigt würde, weder von meinen Ammen noch von meinen Lehrern; und immer war er zu mir so freundlich, ich möchte fast sagen, so zärtlich, daß man wohl sagen könnte, er habe mir auch die Mutter ersetzt. Nun bezweifelte ich, daß seine Worte über meine Armbrust ironisch gemeint waren. Denn das war gar nicht seine Art. Und, dachte ich weiter, mochte er nicht sogar gute Gründe haben, wenn er mich bei seiner Unterredung mit Doktor Héroard nicht dabei haben wollte: vielleicht wollte er sich mit ihm ja über die Leiden eines Dritten beraten. Kurz, noch bevor ich die lange Platanenallee hinter mir hatte, war ich völlig ausgesöhnt mit meinem Vater und auch mit mir selbst nun im reinen.
    Am Ende der hohen Allee überfiel mich aufs neue die brütende Sonne, doch sah ich unweit eine Laube und lenkte, von ihrem Schatten verlockt, meine Schritte dorthin. Während ich mich aber näherte, erklang Trommelschlag, und dieser Tambour spielte den »Ruf zu den Waffen«. Ich hatte mich von der Überraschung, die Garnisonsweise in einem Garten zu hören, kaum erholt, als ich sechs Schritt von mir, im Eingang zur Laube, einen kleinen Jungen stehen sah, der die Trommelstäbe mit einer Geschicklichkeit und

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