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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Karrosse des Königs übersetzt, wenn sie nach Schloß Saint-Germain-en-Laye fährt.«
    »Stimmt es«, fragte mein Vater, »daß die Karosse eines Tages umgestürzt ist?«
    »Man hat versucht, die Geschichte zu vertuschen«, sagte Bassompierre, »aber, wie ich sehe, hat sie sich herumgesprochen.«
    »Wart Ihr dabei?«
    »Das nicht. Aber La Châtaigneraie hat mir alles erzählt. Der Kutscher hatte das Gespann falsch auf die Fähre gebracht. Zwei Räder hingen über, und die Karosse stürzte nach der Seite, wo die Königin saß. Zum Glück sprang La Châtaigneraie sofort ins Wasser und hat sie an den Haaren heraufgezogen.«
    »Die Königin an den Haaren!« sagte La Surie. »Das ist ja ein Majestätsverbrechen.«
    »Ihre Gnädigste Majestät hat sich nicht angegriffen gefühlt. Sie hat das Wasser ausgespuckt, das sie geschluckt hatte, hat durchgeatmet und als erstes gefragt, ob der König wohlauf sei.«
    »Welch schönes Beispiel ehelicher Liebe!« sagte mein Vater.
    »Na, ich weiß nicht«, sagte Bassompierre mit einem kleinen Lächeln. »Die Person, von der wir sprechen«, fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu, »ist die liebloseste und unzärtlichste Frau der Welt, sogar zu ihren Kindern.«
    »Ich hörte davon«, sagte La Surie.
    »Da habt Ihr es. An einem Hof bleibt nichts geheim. König und Königin haben kein Privatleben. Ihre Zänkereien sind bekannt. Über die Seitensprünge werden Listen geführt. Wäre Henri als Mann ein Versager, wüßte es jeder. Und da er es nicht ist, weiß man, ob die Königin Lust empfunden hat oder nicht. Kaum ist sie schwanger, erfährt man genauestens, wie viele Mahlzeiten sie täglich der Natur zurückgibt. Wenn sie niederkommt, so unter Hunderten von Augen, und wenn der Tod naht, stirbt sie, ebenso wie der König, im Beisein aller, die am Hof etwas gelten.«
    »Aus Euren Worten schließe ich«, sagte mein Vater, »daß Ihr nicht gerne König wärt.«
    »Was würde ich dadurch gewinnen?« sagte Bassompierre lächelnd.
    In dem Moment kam über die ganze Länge der Brücke eine seiner hübschen Nichten und sagte mit einer reizenden Verneigung zu Monsieur de Bassompierre, sie sei von ihren Gefährtinnen gesandt, ihn zu bitten, er möge doch zu ihnen an den Tisch unterm Zelt kommen, sie hätten ihm eine Frage von größter Konsequenz zu stellen.
    »Von größter Konsequenz!« sagte Bassompierre. »Donner wetter ! Was werde ich von euren süßen Lippen hören?«
    Und er ging zu dem Zelt, indem er der Botin galant den Arm reichte, die über diese Ehre rot anlief und ihn nicht aus den Augen ließ. Hierbei fiel mir ein, daß Toinon einmal gesagt hatte, Bassompierre (der damals achtundzwanzig war,) sei »so höflich und so schön, drüber geht es schon nicht«.
    Dieses »drüber«, dessen grammatikalische Richtigkeit ich als Monsieur Philipponeaus guter Schüler anzweifelte, gefiel mir aber in jenem Moment und entzückte mich an diesem Tag geradezu, ich könnte nicht sagen, warum. Und als ich meinem Vater den Ausspruch wiedergab, lachte auch er.
    »Bassompierre«, sagte er dann, »ist in der Tat ein sehr schöner Kavalier, aber er ist dazu noch der höchstgebildete Mann bei Hofe, er spricht Griechisch und Latein, dazu vier andere Fremdsprachen, er hat ein umfassendes Wissen und einen so lebhaften, raschen Geist, daß er mit ein wenig Studium auf jedem Gebiet glänzen könnte. Noch einmal, mein Sohn, traut nie nur dem Anschein. Bassompierre kleidet sich nach der neuesten Mode, foppt, scherzt, macht Wortspiele, tanzt wie ein Gott, läuft jedem Unterrock nach, sitzt ganze Stunden am Spieltisch, aber kommt er morgens nach Hause, zündet er die Lampe an und macht sich an seine Studien. Seine Bibliothek ist die reichste in Frankreich. Er besitzt über zweitausend Bände, und seid überzeugt, daß er die alle gelesen hat, womöglich noch mit Anmerkungen versehen.«
    Der Gegenstand dieser Lobrede nahm Platz unter dem Zelt, und nachdem er einem Diener gewinkt hatte, der Runde ein Glas Clairet auszuschenken, betrachtete er amüsierten Auges die süßen Mädchen, die bei seinem Kommen verstummt waren und einander anblickten.
    »Also, meine Schwälbchen!« sagte er schließlich, »was wollt ihr mich denn nun fragen? Seid ihr plötzlich zu Karpfen geworden? Bin ich so furchteinflößend?«
    »Das nicht, Monsieur«, sagte Jeannette, »wir möchten Euch aber keine Frage stellen, die Euch verletzen könnte.«
    »Mein Leben ist untadelig«, sagte Bassompierre leichthin. »Ich fürchte keine indiskreten

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