Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
schikk ihn meine karrose. ich wil ihn eine Stunne for meinm Bal sen.
Catherine.
»Eine Stunde vorher«, sagte ich, »was will sie von mir?«
»Euch Instruktionen geben, wette ich.«
»Und welche gebt Ihr mir, Herr Vater?«
»Eine genügt, aber die kennt Ihr ja. Starrt nicht zu lange, nicht zu oft dieselbe Person, ob Mann, ob Frau, mit Euren unersättlichen Augen an. Lernt, den Gegenstand Eures Interesses unauffällig zu streifen, wie es die Frauen so gut können. In allem übrigen verlasse ich mich auf Eure Unterscheidungsgabe.«
Nun gab es das heftigste Gezänk zwischen meinen Ammen und Toinon, weil jede die Ehre für sich beanspruchte, mir beim Ankleiden für den Ball zu helfen, wobei erstere anführten, das hätten, von den Windeln angefangen, seit jeher sie getan, und die andere, sie mache dies (ebenso wie mein Bett, meine Kammer und das weitere), seit ich das Mannesalter erreicht hätte. So ging es hoch und heiß her im Bedienstetenzimmer, als Monsieur de La Surie, von der herrschaftlichen Gerichtsbarkeit des Marquis de Siorac abgesandt, um die Ordnung unter unserer Dienerschaft wiederherzustellen, entschied: Toinon solle mir den Bart scheren und meine Haare frisieren, ein Talent, das sie sich im Dienst von Monsieur de Bassompierre erworben hatte, und die Ammen sollten mich ankleiden.
Toinon entledigte sich ihrer Aufgabe mit viel Kunstfertigkeit,aber mit verdrossener Miene und redete kaum ein Wort. Da sah ich, wie sie ein Brenneisen zur Hand nahm.
»Toinon, willst du mir die Haare kräuseln?«
»Nein«, sagte sie in schroffem und belehrendem Ton. »Frauenhaare werden gekräuselt, damit sie in kleinen Löckchen an den Wangen herunterhängen. Männerhaare, auch wenn sie genauso lang sind, werden in große Wellen gelegt, die über die Ohren gehen und überm Kragen aufhören.«
»Machst du meine Haare auch so?«
»Das muß sein. Es ist Mode. Aber bei Euch ist es sowieso verlorene Liebesmüh, Ihr werdet dadurch auch nicht schöner.«
»Was soll das?« fragte ich pikiert. »Vor einer Woche hast du mir das ganze Gegenteil gesagt!«
»Da wollt ich Euch trösten, daß Ihr nicht zu dem verdammten Ball könnt.«
»Dann sagst du das heute aus Neid.«
»Nein, Monsieur. Ich sag Euch die Wahrheit. Ihr seid nicht ganz häßlich, das nicht. Und groß seid Ihr und kräftig, habt schöne Augen und guckt auch schön. Die Haare sind auch nicht schlecht, blond, dick und gut zu kämmen. Aber die Nase!«
Und nach einem Laut tiefsten Erbarmens verstummte sie.
»Die Nase?« sagte ich, indem ich einen kleinen venezianischen Spiegel ergriff und mich verdutzt betrachtete. »Ich habe die Nase meines Vaters.«
»Überhaupt nicht. Die von Eurem Vater ist kurz und gerade. Eure ist lang und, was noch schlimmer ist, am Ende krumm. Man möchte fast sagen, die ist jüdisch.«
»Jüdisch! Meine Nase!«
Ich legte den Spiegel auf die Kommode, zog ein barsches Gesicht und sagte keinen Ton mehr, da ich erwartete, daß Toinon sich eines Besseren besinnen werde. Was sie auch tat, aber nicht aus Furcht vor mir, sondern aus Furcht, von meinem Vater getadelt zu werden, wenn er ihre Worte erführe.
»Bei einem Mann«, sagte sie, »geht es ja noch! Besser keine so schöne Nase wie Ihr, als gar keine Nase wie der Herzog von Guise. Wie die Nase des Mannes, so sein Johannes. Das sag ich.«
»Hirngespinst! Der Herzog von Guise stellt jedem Unterrock nach.«
»Heilige Jungfrau, ich frag mich, womit!«
»Toinon! Die Jungfrau anrufen, wenn man von Nase und Johannes redet!«
»Das stimmt«, sagte Toinon und wurde in ihrer Schamlosigkeit tiefrot. »Tausendmal um Vergebung, heilige Jungfrau!«
Sie nahm das Brenneisen von der rechten in die linke Hand und bekreuzigte sich.
»Glaubst du«, sagte ich mit hämischer Miene, »einmal Bekreuzigen, das reicht, um die heilige Jungfrau zu besänftigen, die du so schwer beleidigt hast?«
Und nicht ohne Schändlichkeit fuhr ich fort, da ich wußte, wie sparsam sie mit ihrem Gelde war: »Meiner Ansicht nach mußt du ihr dafür wenigstens eine große, dicke Kerze spenden.«
»Eine große, dicke Kerze!« rief sie erschrocken. »Liebe Zeit, wollt Ihr mich ruinieren?«
Und nun hatte sie vollauf zu tun, an ihrem Ruin zu käuen, das verschloß ihr wenigstens den Schnabel. Ich meinerseits blieb unzugänglich wie eine Auster und grollte ihr, daß sie die Hoffnungen erschüttert hatte, die ich auf mein gutes Aussehen gründete, um die Schönen des Balls zu erobern. Der Leser möge sich erinnern: ich war
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