Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Blick mich milde und wohlwollend geprüft hatte, schien Monsieur de Réchignevoisin mit mir zufrieden und geruhte zu lächeln. Ich lächelte zurück, was mir leichtfiel, da sein Name, der etwa »zänkischer Nachbar« bedeutet, mich amüsierte, da er so wenig zu ihm paßte. Er hatte einen runden Schädel, runde, vorstehende Augen, eine runde Nase, volle, geschürzte Lippen, einen Bauch, der Stöße abfangen konnte, und stämmige Beine, auf denen er zu wippen schien. Seine Stimme blieb so beständig in den gedämpften, tiefen Registern, daß sie auf jeden begütigend wirken mußte und daß man sich bei ihrem Anhören gut vorstellen konnte, wie nützlich ihre unabänderliche Sanftmut im Umgang mit Madame de Guise war – für sie wie für ihn.
»Herr Chevalier«, sagte er, »Ihre Hoheit wünscht, daß ich Euch unseren großen Saal zeige, bevor ich Euch zu ihr führe. Was allerdings nicht schwerfällt«, setzte er mit einem Lächelnhinzu, das seine dicken, runden Wangen den Ohren zutrieb, »und sogar unvermeidlich ist, weil das Gemach Ihrer Hoheit ohnehin nur durch diese große Galerie zu erreichen ist.«
Nehmen wir einmal an, der Leser habe in seiner Kindheit einen Ball von einer Treppe hinuntergeworfen und mit Freuden zugeschaut, wie er von Stufe zu Stufe bis nach unten hüpfte. Er möge sich nun vorstellen – indem er die Naturgesetze im Geiste umstülpt –, der Ball hüpfe gleicherweise zu ihm herauf, und er wird sich ein treffendes Bild davon machen, wie Monsieur de Réchignevoisin vor mir die Freitreppe zum Hause erklomm, nämlich derart, daß mich die Leichtigkeit des dicken Mannes und sein federnder Schritt in Erstaunen setzten. Und obwohl die Freitreppe recht hoch war, schnaufte mein behender Hofmarschall nicht im mindesten.
»Dies ist unser Empfangssaal. Man behauptet, es gebe selbst im Louvre keinen schöneren«, sagte er, indem er mit breiter, runder Geste um sich wies. Ich hatte den Louvre noch nie von innen gesehen, auch noch keine seiner edlen Galerien, aber diese hier überwältigte mich durch ihre Ausmaße und ihren Luxus. Der Saal war nicht weniger als fünfzehn Klafter 1 lang und sechs Klafter breit und hatte drei Lüster, deren ein jeder mit Hunderten Lichten besteckt war. Sie waren noch nicht angezündet, ebenso wenig wie die silbernen Leuchterarme, die in regelmäßigen Abständen aus den Wänden ragten. Der Augustabend, der zu beiden Seiten durch die Fensterkreuze hereinfiel, war noch hell genug, daß die Bediensteten des Hôtels überall letzte Hand anlegen konnten. Als ich eintrat, waren kräftige Lakaien in der Livree der Guise, welche auf dem Rücken ein großes Lothringerkreuz trug, damit beschäftigt, zwei prächtige Orientteppiche einzurollen, die sogleich fortgetragen wurden und einen eingelegten Parkettboden freigaben, der zum Tanz sicherlich besser geeignet war.
»An der Wand zu Eurer Rechten«, sagte Monsieur de Réchignevoisin in vertraulichem Ton, »seht Ihr flandrische Tapisserien mit Tieren und Gehölzen. Und zu Eurer Linken Tapisserien, wiederum aus Flandern, aber mit Wiesen und Menschen. Und ebenso symmetrisch sind jene vier großen Porträts angeordnet, rechterhand Monsieur de Clèves undMademoiselle Marguerite de Bourbon, die Eltern Ihrer Hoheit darstellend, und gegenüber ihren Gemahl, Heinrich von Guise, der in Blois ermordet wurde, und ihren Schwiegervater, François von Guise, der leider ebenfalls einige Jahre zuvor ermordet worden war.«
Dieses »leider« erschien mir sehr angebracht, denn wenn man Monsieur de Réchignevoisin das Wort »ermordet« so schmelzend aussprechen hörte, klang es, als handele es sich um völlig belanglose Ereignisse. Dann schwieg Monsieur de Réchignevoisin, als erwarte er von mir einen Kommentar. Doch mag man sich denken, daß ich als Hugenottensohn und geschworener Feind der Liga mich über die Tunlichkeit dieser Attentate besser nicht äußerte, und ich hielt meine Zunge hübsch im Zaum.
»Ihr werdet bemerken«, fuhr er fort, »daß die Silberarme jeweils rechts und links von den Bildnissen aus der Wand ragen, damit sie am Abend vollkommen beleuchtet sind.«
»Wenn ich dem Porträt glauben darf«, sagte ich, um endlich mein Schweigen zu brechen, das man sonst als Feindseligkeit gegen das Haus Lothringen hätte deuten können, »sah Herzog Heinrich von Guise außerordentlich gut aus.«
»Unbedingt. Ihre Hoheit pflegt zu sagen, wenn er ebenso schlau wie schön gewesen wäre, dann wäre sie heute Königin von Frankreich.«
Ich mußte
Weitere Kostenlose Bücher