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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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den großen Saal gehängt hat und das ihrer Schwiegermutter in ihr Gemach, neben ihr eigenes Porträt?«
    »Weil sie die zweite mehr geliebt hat als die erste. Übrigens wurde die Herzogin von Nemours von allen vergöttert. Und als sie vor einem knappen Vierteljahr mit achtzig Jahren starb, hat sogar der Hof geweint.«
    »Ich begreife dieses Gefühl«, sagte ich, »sie ist dort im hohen Alter gemalt, im weißen Haar, und ihre Gesichtszügesind ein wenig eingefallen, aber die Augen blicken so jung, so lebendig, so voller Güte ...«
    »Monsieur«, sagte Noémie de Sobol in scherzendem Ton, »Ihr bewundert auf der Welt wohl nur tote, alte Damen?«
    Dieser Angriff überraschte mich derart, daß ich ums Haar die Fassung verloren hätte, wäre mir nicht eine Methode eingefallen, die La Surie mich gelehrt hatte. Ich betrachtete mein Gegenüber in Schweigen, als inventarisierte ich sorgfältig die Besonderheiten ihrer Erscheinung und erwöge, welche Wirkung sie auf mich haben könnten. Wenn ich heute darüber nachdenke, glaube ich nicht, daß Noémie de Sobol wirklich so schön war, wie sie mir damals in der Hitze des Augenblicks erschien. Nichtsdestoweniger muß ich sie anziehend gefunden haben, und wäre es nur, weil sie für mich etwas Neues war, denn sie hatte grüne Augen, Sommersprossen, eine schnippische Miene und einen jener Feuerschöpfe, welche die Flammen des Innern nach außen zu kehren scheinen.
    Nachdem ich meine Inspektion in Muße beendet hatte, sagte ich ihr unumwunden und in einem Ton, als spräche ich mit Toinon: »Wenn Ihr meine Meinung über Euch hören wollt, würde ich sagen: ich finde Euch sehr schön und wirklich begehrenswert.«
    Dieser Schlag traf sie unvorbereitet, und sie errötete; zu hochmütig jedoch, ihre Verwirrung einzugestehen, nahm sie Zuflucht hinter einem großen Lachanfall.
    »Mein Gott, Monsieur!« sagte sie. »Glaubt Ihr, so spricht man zu einer Dame von guter Herkunft? Ihr macht mir schöne Augen! Ihr erlaubt Euch ein grobes Kompliment! Das zeigt wenig Umgang! Und dafür habe ich mich nun vorbereitet, Euch das Warten zu versüßen, Euch mit Leckerkram zu füttern und zu kusseln wie ein Kind!«
    »Madame«, sagte ich, indem ich mich kalt verneigte, »es ist mir nicht so sehr um den Leckerkram als um die Küsse leid, und wenn ich gewußt hätte, daß man das Bübchen spielen muß, um sie zu bekommen, wäre ich in Windeln erschienen.«
    Hierauf lachte sie noch mehr, aber in einer aufgestachelten und aufstachelnden Weise, als hätte sie es mit irgendeinem Laffen zu tun, und während sie sich ausschüttete wie toll, ließ sie sich, eine Hand vor dem Mund, in einen Reifrockstuhl fallen und blitzte mich aus ihren grünen Augen an, als könne sienicht aufhören, sich über meine Ausgefallenheiten lustig zu machen.
    Da stand ich vor ihr, meinen Hut in der Hand, betrachtete sie wortlos und fand, daß sie mir als Ehrenjungfer der Herzogin nicht halb soviel Respekt bezeigte, wie sie dem Sohn ihrer Herrin schuldig war. Doch entsann ich mich des väterlichen Lehrsatzes, daß man eine Verletzung niemals zugeben soll, wenn man nicht in der Lage ist, sie auf der Stelle zu vergelten, und so lächelte ich denn, als ginge ich auf den Spaß ein. Gleichzeitig aber begann ich, sie von Kopf bis Fuß mit der letzten Frechheit zu mustern, meine Blicke an das zu heften, was sie verbarg und was sie nicht verbarg, denn allerdings zeigte sie viel für eine Jungfrau, da ihr Mieder aus rostfarbenem Satin von den Schultern bis zur Herzgrube ausgeschnitten war und ihre gewölbten Brüste gleichsam zur Schau stellte.
    Noémie de Sobol wurde es unter meinen unverfrorenen Blicken zusehends unbehaglich, sie hörte auf zu lachen, wurde rot, erhob sich, und indem sie die Hände vor ihrem Reifrock kreuzte, als wolle sie den Eintritt verwehren, sagte sie, schon mit weniger geschwollenem Kamm, aber indem sie sich immer noch stolz und herablassend zu geben versuchte: »Weiß Gott, Chevalier, Ihr scheint erfahrener, als man in Eurem Alter zu sein pflegt, da Ihr die Stirn habt, eine Frau derart anzusehen. Trotzdem solltet Ihr es mit ein bißchen mehr Finesse tun. Ihr vergeßt wohl, daß ich eine Jungfer und eine Jungfer aus gutem Hause bin?«
    »Wie könnte ich es vergessen«, sagte ich, »da Ihr mich hier sanftmütiger als ein Lämmlein und scheuer als ein Reh empfangt? Daher werde ich, wenn meine Blicke Euch kränken, diese besser zu Boden richten, wenigstens so lange Ihr Euch meiner annehmt, wie Ihr versprochen

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