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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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habt.«
    Mademoiselle de Sobol muß sich gedacht haben, daß es sie ihre Stelle kosten könnte, wenn ich Madame de Guise ihre Worte wiederholte, denn sie änderte plötzlich ihre Miene, zog ihre Krallen ein und wurde wie Samt.
    »Ah, Chevalier!« sagte sie ziemlich liebenswürdig, »da muß man die Waffen strecken. Ihr habt zuviel Geist. Euer Gehirn ist älter als Eure Jahre, zumal Ihr schon recht aufgeschossen seid und eine so geschliffene Zunge habt, daß man staunt. Mein Gott, wie Ihr die Dinge wendet! Man fühlt sich ganzverloren vor Euch. Alsdann, laßt uns Freunde sein! Schließen wir Frieden! Vergeßt meine Dummheiten. Und ich Eure entkleidenden Blicke. Und als Zeichen meines guten Willens gebe ich Euch einen Kuß auf die Wange.«
    Ich willigte ein, und indem sie mir ihre grünen Augen und ihren Flammenschopf entgegenhielt, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und tat, wie sie gesagt hatte. Der kleine Kuß machte mir großes Vergnügen. Mir schien, ich hätte ihn wohl verdient und überdies gezeigt, daß ich mich, auch wenn ich ein Bastard war, nicht herunterputzen ließ, nicht einmal von einer Jungfer.
    Während Mademoiselle de Sobol den Frieden mit mir vollends besiegelte, öffnete sich eine kleine Tapetentür links von Madame de Guises großem Himmelbett. Eine Zofe erschien und wandte sich an die Ehrendame, nicht jedoch, ohne mich aus dem Augenwinkel mit heißer Neugier zu betrachten (was mich vermuten ließ, daß bereits sämtliche Domestiken im Haus wußten, wer ich war).
    »Madame«, sagte sie, indem sie die Lippen schürzte, in zierlichem Ton, »Ihr mögt den Chevalier de Siorac hereinführen. Ihre Hoheit will ihn jetzt im kleinen Kabinett empfangen.«
    Klein war das Kabinett nun nicht, es war so groß wie meine Schlafkammer und hatte dazu ein großes Fenster, vor dem Eichen standen. Der Abend leuchtete noch auf den Blättern, aber sein Licht reichte nicht mehr aus für alle die subtilen Tätigkeiten, denen man sich dort hingab, denn auf einem mit blauem Samt verhüllten Toilettentisch, der mit einer Vielzahl von Näpfen, Salbentöpfen, Puderdosen, Schminkpasten, Bürsten, Kämmen, Nadeln, Scheren, Duftwässern und Brenneisen überhäuft war, erhoben sich zwei silberne Armleuchter mit brennenden Kerzen und erleuchteten einen großen venezianischen Spiegel, vor dem, mit dem Rücken zu mir, Madame de Guise saß.
    Um zu ihr zu gelangen, mußte ich mich durch ein überaus köstliches Gewimmel von Weiblichkeit schlängeln: außer den vier geschmeidigen Kammerzofen, die um sie beschäftigt waren, die eine damit, ihr die Haare zu kräuseln, die zweite, die Eisen heißzumachen, die dritte, die Nadeln zuzureichen, und die vierte, ihr die Füße zu massieren, außer diesen also gab esda noch drei junge, sehr hübsche Damen von Stand, die ich für die Ehrenjungfern der Herzogin hielt, wie Mademoiselle de Sobol eine war. In pastellene Töne gekleidet, lächelnd und müßig, standen sie entlang der Wand und schienen nur zur Dekoration dazusein, oder ihrer Herrin zu Ehren, oder vielleicht, um alle zusammen auf ihre Reden zu antworten wie der Chor in der griechischen Tragödie.
    »Da seid Ihr ja, mein Herr Patensohn«, sagte Madame de Guise, sowie sie mein Bild in dem venezianischen Spiegel erblickte, »was war das für ein großes Gelächter, das ich da hörte? Seid Ihr gekommen, um meinen Jungfern den Kopf zu verdrehen?«
    »Durchaus nicht, Madame. Mademoiselle de Sobol neckte mich wegen meines Alters, und ich sagte, ich sei bereit, das Bübchen zu spielen, wenn sie mir Süßes gäbe.«
    Hierauf lachten die Ehrenjungfern wie Nonnen in der Freistunde. Mademoiselle de Sobol dankte mir durch einen Wimpernschlag für diese Version
ad usum dominae
1 unseres kleinen Zwistes. Und Madame de Guise nickte lächelnd.
    »Gott sei Dank, Ihr seid doch noch ein Kind!« sagte sie mit befriedigter Miene, als sei sie dadurch, daß sie mich jung fand, gleich selbst verjüngt. »Kommt, Söhnchen, tretet näher«, fuhr sie fort, »bleibt doch nicht so weit entfernt stehen!«
    Ich gehorchte, sie drehte sich auf ihrem Schemel herum, und als ich ein Knie zu Boden setzte, gab sie mir ihre linke Hand zum Kuß, weil sie in der rechten einen kleinen perlmutternen Handspiegel in Rautenform hielt, mit dessen Hilfe sie das Werk der Friseuse an ihrem Hinterkopf beobachtete. Deshalb sah sie mich auch nicht an, denn ihre Augen waren völlig mit dieser Überwachung beschäftigt. Ich war darüber ein wenig betrübt, denn ich freute mich so sehr, sie

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