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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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zu sehen, nicht wie ich sie immer in unserem Haus in der Rue Champ Fleuri sah, von Kopf bis Fuß gewappnet und sozusagen gepanzert in ihrem Schnürleib, ihrer Baskine und ihrem Reifrock, sondern nur in einem Hausgewand, das mir, abgesehen von der Freiheit, die es ihrem Körper gab, auch wunderschön erschien, denn es war aus blaßblauer Seide mit Goldposamenten und hatte nachtblaue Seidenknöpfe. Ich verschlang sie mit denAugen und war sehr bewegt, sie zum erstenmal in ihrem Heim, in ihrer vertrauten Umgebung zu sehen, in diesem ungekünstelten Gewand, in dem sie mich weiblicher, mütterlicher, mir näher anmutete. Wie gerne hätte ich es gehabt, wenn sie, und wäre es auch nur durch einen Blick, meine Freude wahrgenommen und geteilt hätte! Aber es war unmöglich: offensichtlich drängte die Zeit. Sie hatte voll damit zu tun, die Herstellung ihrer Löckchen zu überwachen, und wer hätte sie dafür schelten dürfen? Aber damals war ich zu jung, um zu begreifen, daß es ein Beruf ist, Frau zu sein, und daß dessen Pflichten nicht immer die Muße lassen, gerührt zu sein. Der Knoten in meiner Kehle schnürte sich immer fester, und ich merkte nicht ohne Scham, daß mir zum Weinen war.
    »Mein Gott, mein Gott!« murmelte Madame de Guise mit einem Blick auf die Uhr, die unweit von ihr auf dem Toilettentisch stand, »ich werde niemals fertig! Und Ihr werdet sehen, einer dieser Störenfriede wird es darauf anlegen, pünktlich auf die Stunde anzukommen! Und was das Schlimmste ist, es wird mein Schwiegersohn sein! Mein Söhnchen«, setzte sie hinzu und ließ ihre ruhelosen Augen über mich hin und her wandern, »bleibt doch nicht da kleben! Perrette, einen Schemel für den Chevalier!«
    Perrette, die von den vier Kammerzofen am wenigsten beschäftigte, denn sie hatte der Friseuse auf deren Verlangen die Haarnadeln zuzureichen, brachte mir einen Schemel. Sie nützte diesen Augenblick, um mich, wie vorher bereits, als sie mich in das Kabinett rief, mit einer mehr als einfältigen Neugier zu betrachten. Es war gerade so, als hätte sie laut gesagt: »Die Mutter kenne ich, also sehen wir uns doch einmal den Sohn näher an, der uns so lange vorenthalten wurde.« Woraufhin sie, von ihrer raschen Musterung befriedigt, mich mit einem liebreichen Blick umfing, den ich sogleich erwiderte, da ich mich einigermaßen traurig und vernachlässigt fühlte.
    Gleichwohl setzte ich das Manöver nicht zu lange fort; es hätte Madame de Guise auffallen können, denn mochte sich auch alles hinter ihrem Kopf abspielen, so doch, wie ich feststellte, nicht außerhalb des Sichtfeldes ihrer zwei Spiegel. Also verfolgte ich besser, wie ihre Frisur Schritt für Schritt bis zur Vollendung gedieh. Als es soweit war, fand ich sie allerdings eher gekünstelt als wirklich kleidsam. Doch war dieMode so tyrannisch, daß fast alle Damen, die ich dann auf dem Ball sah, damals die gleiche Frisur trugen, mit Ausnahme der Königin Margot, die einer anderen Epoche angehörte, und der Königin Maria, die sich von Leonora Galigai im Florentiner Stil hatte frisieren lassen.
    Kurz, man hatte sich zu wenig um mich gekümmert, und ich war so trotzig und aufsässig, daß ich im stillen ebenso ungnädig die Samtschleife bekrittelte, welche die Friseuse an der rechten Schläfe über dem Lockenbausch band. Und warum keine auf der linken Seite? Und warum, wenn man einmal dabei war, nicht noch eine auf dem Scheitel?
    »Mein Gott, mein Gott!« schrie Madame de Guise, »es ist gleich soweit!«
    Und da sie wohl fand, daß ihr Hausgewand kein Kleid sei, setzte sie hinzu: »Und ich bin nackt!«
    Eiligst lief sie in ihr Zimmer, alle Zofen und Mademoiselle de Sobol im Gefolge, und ließ mich mit den drei Ehrenjungfern allein. Sofort stand ich von meinem Schemel auf und machte ihnen eine tiefe Verbeugung, die sie mit einem hübschen Knicks erwiderten. Darauf beschränkte sich unser Gespräch, denn wenn sie mich auch musterten, als wollten sie mir die Haut vom Gesicht ziehen, schienen sie doch fest entschlossen, nicht Piep zu sagen.
    Während ich mich über die Gründe dieser Stummheit befragte, ertönte aus dem benachbarten Zimmer ein Schmerzensschrei.
    »Was ist das?« fragte ich.
    »Das ist Ihre Hoheit«, sagte eine der Ehrenjungfern. »Man schnürt ihr die Baskine, und ihr bleibt die Luft weg.«
    »Warum schnürt man sie denn so fest?«
    »Damit sie ihr Mieder anlegen und ihren Reifrock einhaken kann.«
    »Aber warum sind Mieder und Reifrock so eng?«
    Sie sahen mich erstaunt an.

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