Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
lächeln, da dieses Wort mir so recht dem mundfertigen Wesen meiner lieben Patin entsprungen schien. Als er es sah, lächelte auch Monsieur de Réchignevoisin, sicherlich nicht, weil er meinen Gedanken gelesen, sondern daraus begriffen hatte, wie groß meine Zuneigung zu Madame de Guise war.
Inzwischen bemerkte ich, daß die Lakaien, die in den Saal nunmehr unter der Führung eines Intendanten zurückgekehrt waren, der ein Register und Schreibzeug mit sich trug, sich anschickten, von den einbeinigen Tischchen und den Konsolen eine Reihe Wertgegenstände abzuräumen: Silberkästchen, Porzellan, Alabasterfiguren, Chinavasen, Uhren und anderes kostbare Gerät, welche von dem Intendanten zuerst in das Register eingetragen und dann in einen Wandschrank gestellt wurde, dessen schwere Eichentür nicht weniger als drei Schlösser aufwies.
»Herr Hofmarschall«, sagte ich staunend, »was soll das? Weshalb wird der Saal seines hübschesten Schmuckes entkleidet?«
»Nach dem letzten Ball Ihrer Hoheit«, sagte Monsieur de Réchignevoisin, indem er schamvoll die Lider über seine runden Augen senkte, »mußten wir unerklärliche Verluste feststellen ...«
»Diebstahl!« sagte ich.
»Das verhüte Gott!« sagte er mit einem frommen Seufzer.
»Also haben sich Eindringlinge unter die Geladenen geschlichen.«
»Ausgeschlossen. Alle unsere Gäste waren Leute von Rang und Namen, und im übrigen kannte ich einen jeden persönlich.«
»Konnte man die Lakaien verdächtigen?«
»Niemals! niemals!« sagte Monsieur de Réchignevoisin diesmal sehr lebhaft. »Es sind alles Lothringer und Ihrer Hoheit fanatisch ergeben.«
Ich blickte ihn an und schwieg, denn wozu sollte ich weiter in ihn dringen. Als er die Lider wieder hob, sah er mich an und seufzte abermals bekümmert, dann schüttelte er dreimal nacheinander den Kopf, als blicke er von weit oben, aber nichtsdestoweniger voller Milde auf die Schwächen der Menschennatur herab.
***
Nachdem ich den großen Saal durchschritten hatte, führte Monsieur de Réchignevoisin mich durch einen ziemlich dunklen Korridor bis zur Tür Ihrer Hoheit, wo er behutsam anklopfte. Als nach einer ganzen Weile eine Jungfer ihr hübsches Gesicht durch einen Türspalt schob, teilte ihr Monsieur de Réchignevoisin in liebenswertem Geflüster mit, der Herr Chevalier de Siorac seid da, Ihre Hoheit wünschte ihn zu sehen.
»Er möge eintreten!« sagte die Jungfer mit fröhlicher Stimme. »Bis Ihre Hoheit ihn empfängt, nehme ich mich seiner an.«
»Herr Chevalier, Noémie de Sobol wird sich Eurer annehmen«, wiederholte voller Würde Monsieur de Réchignevoisin, der nach einer tiefen Verbeugung vor mir im Handumdrehen in der Schwärze des Korridors verschwand.
»Tretet ein, tretet ein!« sagte Noémie de Sobol heiter.
Und indem sie mich vertraulich bei der Hand faßte, zog sie mich in ein Zimmer, das mich nach dem dunklen, engen Flur groß, hell und reich ausgestattet empfing.
Da Mademoiselle de Sobol nichts sagte, blickte ich mich um. Die Felder der vergoldeten Kassettendecke waren mit mythologischen Szenen bemalt, die Wände mit golddurchwirktem Satin bespannt, derselbe Satin kehrte auf der Steppdecke und in den Vorhängen des Himmelbettes wieder. Alles in Blautönen, die zu der Lavendeliris von Madame de Guise paßten. Das Ganze hätte lichtvoll, aber ein wenig kalt gewirkt ohne die reichen Farben, die ein Orientteppich und zwei große Porträtgemälde einbrachten, die von der Wand herabschauten; das eine zeigte meine liebe Herzogin in ihrer Reife und, was mich überraschte, ganz in Rosa, und ein anderes, überaus reizendes ...
»Das ist die Herzogin von Nemours«, sagte Noémie de Sobol, die meinem Blick gefolgt war. »Wie Ihr wißt, Chevalier, war sie in erster Ehe mit François de Guise vermählt, und ihr Sohn heiratete dann Ihre Hoheit.«
»Von Madame de Nemours«, sagte ich, »ist viel die Rede in den Memoiren meines Vaters. Er hat sie während der ganzen Belagerung von Paris durchgefüttert. Und es sieht fast so aus, als sei er von ihr platonisch geliebt worden.«
»Das weiß ich!« sagte Mademoiselle de Sobol triumphierend. »Ich weiß auch«, setzte sie hinzu, indem sie mich mit verständnisinniger Miene anblickte, »daß es die einzige Liebe dieser Art war, die der Marquis je erlebt hatte.«
Dieses Wort gefiel mir ebenso wenig wie der Blick, der es begleitete.
»Da Ihr soviel wißt, Madame«, sagte ich, »könnt Ihr mir vielleicht auch sagen, warum Ihre Hoheit das Bildnis ihrer Mutter in
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