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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Woraufhin sie untereinander lächelnde Blicke wechselten, ohne mir auch nur mit einer Silbe zu antworten, so abgeschmackt mußte ihnen die Frage vorgekommen sein.
    Perrette steckte den Kopf durch die Tapetentür und sagte mit zierlich geschürzten Lippen: »Ihre Hoheit verlangt den Herrn Chevalier de Siorac.«
    Man legte Madame de Guise soeben ihren Schmuck an, der, wenn ich ihn mit dem der Königin und den anderen Fürstinnen des Hofes vergleiche, die ich auf dem Ball sah, von bemerkenswerter Schlichtheit war. Außer dem kleinen Diadem, das ihr glattes Haupthaar krönte, trug sie nur eine dreireihige Perlenkette um den Hals, Perlen im Ohr, einen goldenen Ring an der linken Hand und einen großen von Diamanten bekränzten Rubin am rechten Mittelfinger. Meine schönen Leserinnen werden gerne einräumen, daß dies für eine Fürstin von Geblüt wenig war und daß Henri recht hatte, als er, wie ich später hörte, Madame de Guise der Königin zum Vorbild empfahl, welche gerade auf diesem Ball mit einem vollkommen mit Diamanten besetzten Armband im Wert von 360   000 Livres erschien, was in etwa dem Jahresbudget entsprach, das sie vom König für den Unterhalt ihres Hausstandes erhielt. Henri weigerte sich zu ihrer Verzweiflung, die riesige Schuldensumme zu bezahlen.
    »Ah, mein Herr Patensohn!« sagte Madame de Guise, als wäre ich soeben eingetroffen, »da seid Ihr endlich! Während ich mir die Schuhe anziehe, will ich Euch zwei Worte, die Königin betreffend, sagen. Wenn der König, wie ich annehme, Euch ihr vorstellt, gebietet die Etikette dies: Ihr macht ihr zuerst eine Verbeugung aus drei oder vier Schritt Abstand, dann tretet Ihr näher, beugt das Knie zu Boden, Ihr ergreift den Saum ihres Kleides und führt ihn an Eure Lippen. Dann richtet Ihre Majestät Euch auf, indem sie Euch ihre Hand zum Kuß reicht und sagt: ›Ihr seid willkommen!‹«
    »Warum das ›Ihr‹?« fragte ich.. »›Seid willkommen‹ genügt doch.«
    »Mein Patensohn«, sagte sie zähneknirschend, »sagt das der Königin und seid versichert, Euer Glück ist gemacht! Wäre ich nicht schon behängt und müßte nicht um meine Schminke bangen, ich machte Euch jetzt ein fürchterliches Donnerwetter! Wahr und wahrhaftig, ich könnte rasen, dazu würgt mir meine Baskine die Luft ab, und meine Schuhe drücken. Weiß der Teufel, weshalb ich die so klein bestellt habe! Da man sie unter dem Reifrock ohnehin nicht sieht! Mein Patensohn, was muß ich hören? Man stellt Euch der Königin von Frankreich vor, und Ihr korrigiert ihre Grammatik! Das ist doch rein zum Platzen! Wo nehmt Ihr das her? Habt Ihr überEurer Bücherhockerei den Verstand verloren? Euer Vater und Ihr, ihr macht mich noch verrückt mit Euren Spitzfindigkeiten! (Hier wechselten die Kammerzofen hinter ihrem Rücken lächelnde Blicke.) Also, hört zu, Söhnchen, sucht mir jetzt nicht Mittag im Dunkeln! Ich werde Euch die Uhr aufziehen und stellen. Die Königin sagt: ›Ihr seid willkommen‹, weil sie schlecht Französisch spricht. Genügt Euch das als Räson, Herr Räsonneur? Sie spricht schlecht und spricht schlecht aus. Was Ihr zu hören bekommt, wird sein: ›Ihrrr said willkumen!‹ (Noémie de Sobol kicherte hinter vorgehaltener Hand.) Nachdem Ihr nun ihre Wurstfinger mit mehr Diamanten daran, als Ihr je im Leben sehen werdet, geküßt habt, wird sie zu Euch besonders hochfahrend, ruppig und böse sein.«
    »Zu mir! Was habe ich ihr denn getan?«
    »Der König liebt Euch. Das reicht.«
    Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach den ungestümen Vortrag.
    »Was ist nun wieder?« rief die Herzogin ungehalten. »Her ein ! Herein! Luft, Sobol, Luft! Ich glaub, ich werde ohnmächtig.«
    »Madame«, flüsterte Monsieur de Réchignevoisin, indem er sein mildes Gesicht zeigte, »Eure Frau Tochter und Seine Hoheit der Prinz von Conti sind eingetroffen.«
    »Das ist der Gipfel!« schrie Madame de Guise und hob ihre kurzen Arme gen Himmel. »Dieser Ball wird eine Katastrophe! Ich weiß es! Habe ich es nicht prophezeit: mein Schwiegersohn wird auf den Stundenschlag erscheinen! Und da ist er schon! Kommt als erster! Ein Prinz von Geblüt! Nicht allein, daß er stocktaub, verstottert und blöde ist, nein: er muß auch noch pünktlich sein!«

VIERTES KAPITEL
    Nachdem meine liebe Patin jenen Partherpfeil gegen ihren Schwiegersohn, den Prinzen von Conti losgelassen hatte, eilte sie zu seinem Empfang in den großen Saal, so schnell es ihre gemarterten Füße erlaubten. Da Madame de Guise aber mir

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