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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nichts befohlen hatte, stand ich da und wußte nicht recht, was ich mit mir anfangen sollte, reichlich begafft von den vier Zofen, die sich anschickten, aber wirklich nur anschickten, die verstreuten Sachen ihrer Herrin aufzuräumen, um ihre Anwesenheit im Zimmer zu rechtfertigen. Sie taten es mit penelopenhafter Langsamkeit, die eine riß jeweils ein, was die andere gemacht hatte, und all das mit unterdrücktem Gekichere, mit verstohlenen Blicken und endlosem Flüstern.
    Das dauerte so gute fünf Minuten, bis es durch das vorsichtige Erscheinen der drei Ehrenjungfern unterbrochen wurde, die Madame de Guise in dem kleinen Kabinett (ebenfalls!) vergessen hatte und die, weil sie ihre gebieterische Stimme nicht mehr hörten, sich in das Zimmer wagten. Als sie nur mich erblickten und da sie wohl keinen Grund sahen, mich zu fürchten, traten sie vollends herein, machten mir einen schönen Knicks und setzten sich reihum auf die Reifrockstühle. Ich verneigte mich meinerseits und nahm froh, es ihnen gleichzutun, auf einem Schemel Platz. Die Zofen setzten ihre Scheinbeschäftigung fort, nun ohne zu lachen und zu flüstern, sondern mit lauernden Augen und Ohren darauf, was sich jetzt wohl für ein Dialog zwischen den Ehrenjungfern und mir abspielen werde. Ich enttäuschte sie, denn im Gedenken an deren albernes Lachen auf meine Frage vorhin, weshalb Mieder und Reifrock so eng sein müßten, gab jetzt ich keinen Laut und schaute zur Decke. Die Dirnen ahmten mich nach, aber wie ich durch Seitenblicke feststellte, spielten sie die Eingeschnappten weit besser als ich, denn nie trafen sich bei meinen raschen Sondierungen unsere Augen, obwohl ich fest überzeugt war, daß auch sie mich ausspähten, ohne aber hinzusehen.
    Ich weiß nicht, wie lange wir derweise einander gegenüber und ernster als vorsitzende Richter zubrachten, ich mit den Augen gen Himmel, sie so stumm, so blind – und so zum Anbeißen in ihren pastellfarbenen Gewändern.
    »Chevalier!« rief Noémie de Sobol, indem sie mit großem Rauschen ihres schwingenden Rockes in das Zimmer zurückkehrte, »was macht Ihr denn hier? Ihre Hoheit erwartet Euch im Saal, um Euch ihren Söhnen vorzustellen. Und Ihr, meine Damen, hütet das leere Zimmer? Seid Ihr die einzigen, die auf dem Ball keinen Mann suchen?«
    Hierauf faßte sie mich bei der Hand und führte mich, weil ihr Reifrock so weit war, daß er mehr als die halbe Breite des Korridors einnahm, am ausgestreckten Arm bis zur Schwelle des Festsaals, dann ließ sie mich vorgehen und gab mir mit der Hand einen kräftigen Stubs in den Rücken. Deshalb betrat ich den Festsaal nicht ganz so würdig, wie ich gewollt hätte, zumal er noch zu drei Vierteln leer war. Zum Glück hatte Madame de Guise, wie ich später erfuhr, ihren Kindern befohlen, beizeiten dazusein. Was bei dem Prinzen von Conti Sünde war, gereichte ihnen zur Tugend.
    Ihren Wünschen gehorsamer als mein Vater, hatten sich alle Prinzen des mächtigen Hauses Lothringen eingefunden und standen da, mit Ausnahme ihres Onkels, des Herzogs von Mayenne, der in einem Reifrockstuhl Platz genommen hatte, der für seinen Leibesumfang aber immer noch fast zu klein war.
    Sie musterten mich, während ich durch den ganzen langen Saal auf sie zuschreiten mußte. Wahrhaftig, ich fand ihn widerlich lang unter all diesen Augen, die sich auf mich richteten, und stellte mir ungefähr vor, mit welchen Gefühlen sie mich kommen sahen, mich, den illegitimen Halbbruder, der obendrein noch der Sohn eines Mannes war, der unter Heinrich III. und Heinrich IV. so glühend gegen ihr abtrünniges Haus gekämpft hatte. Trotzdem, der Gedanke an meinen Vater rückte mir das Herz wieder zurecht, und ich ging ihnen mit festerem Schritt und Blick, aber ohne Hochmut entgegen, indem ich mich bemühte, eine Miene heiterer Gelassenheit aufzusetzen. Ich war von der beeindruckenden Gruppe noch gute zehn Fuß entfernt, als Madame de Guise – die Kleinste der Familie, aber, von Mayenne abgesehen, die Höchstgeachtete –auf mich zutrat und ihre blauen Augen mich mit jenem liebevollen Ausdruck anstrahlten, den ich mir vor einigen Minuten in ihrem kleinen Kabinett so sehr ersehnt hatte, als das Haarkräuseln ihre volle Aufmerksamkeit gefangennahm. Sie ergriff meine Hand und wirbelte herum, so daß sie an meine Seite kam und in meinen Schritt einfiel (was mich nötigte, den meinen zu verlangsamen), und führte mich zu dem Herzog von Mayenne.
    »Mein Bruder«, sagte sie (er war in Wahrheit ihr Schwager und der

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