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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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schätzt, hat mir schon von ihm gesprochen, und ich denke, sowohl vom Wissen wie von der Erscheinung her wird dieses Hähnchen ein prächtiger Hahn, wenn Gott ihn am Leben läßt.«
    »Schön, dann nehmt das Hähnchen unter Eure Fittiche, bis sein Pate, der König, kommt, damit sich hier niemand einfallen läßt, ihm ans Gefieder zu gehen.«
    »Mit Vergnügen, Herr Vater«, sagte Sommerive.
    Und heiteren Gesichts kam Sommerive auf mich zu, umarmte mich herzlich und küßte mich auf beide Wangen.
    »Eure Hand, mein Patensohn«, sagte Madame de Guise.
    Sowie ich gehorcht hatte, legte sie ihre Rechte darauf und, indem sie mir durch einen Fingerdruck die von ihr gewünschte Richtung anzeigte, steuerte sie mich beiseite und sagte dann: »Gott sei Dank, Ihr habt dem Herzog gefallen.«
    »Habe ich ihm wirklich gefallen?«
    »Ihr habt ihm mehr als gefallen. Er ist ein geschickter Mann. Er begünstigt jeden, der in der Gunst des Königs steht. Trotzdem freue ich mich darüber sehr. Meine Söhne werden keinen Piep Widerspruch wagen.«
    »Hätten sie sonst widersprochen?«
    »Sie sind unbesonnen. Man weiß nie, was sie sagen oder tun werden. Außerdem sind sie, wie Ihr Euch vorstellen könnt,nicht allzu begeistert, daß unter ihnen plötzlich dieser Halbbruder auftaucht, der nun auf einmal von mir anerkannt und vom König befördert wird.«
    »Madame«, sagte ich, »ich denke, Ihr beweist großen Mut damit, daß Ihr mich mit dem heutigen Abend anerkennt.«
    »Weil ich Euch liebe«, sagte sie und drückte heftig meine Hand. »Ich liebe Euch mehr als meine anderen Söhne. Möge der Himmel mir dieses ruchlose Wort verzeihen!«
    Darauf vermochte ich nichts zu antworten, mir stiegen Tränen in die Augen.
    »Könnt Ihr mir vielleicht sagen«, fuhr sie in scherzendem Ton fort, »weshalb Ihr in meinem kleinen Kabinett so häßlich mit mir geschmollt habt?«
    »Ich war gekränkt! Ihr hattet nur Augen für Eure Löckchen! Ihr habt mich nicht einmal angesehen.«
    »Ach, Kindskopf! Ihr müßt noch sehr viel lernen über die Frauen! Wißt, daß ich Euch mit meinen Spiegeln immerzu beobachtet habe und über Euer Grollen sehr amüsiert war.«
    »Amüsiert wart Ihr!«
    »Aber auch besorgt. Ihr solltet Euer allzu empfindsames Herz wappnen, Pierre. Sonst wird mehr als eine ihre Krallen hineinschlagen. So, genug geschwatzt! Kommt jetzt und nehmt es mit meinen kleinen Monstern auf.«
    Kann sein, weil Mayenne sie herausgefordert hatte, kann auch sein, daß sie meinten, sie würden einer so gut gewetzten Zunge nicht gewachsen sein, wenn sie sich mit mir in eine Stichelei einließen, jedenfalls waren die »Monster« gegen mich bei weitem nicht so stachelig, wie ihre Mutter befürchtet hatte. Charles, der »kleine Herzog ohne Nase«, wie man ihn bei Hof nannte, hatte immerhin Manieren. Er drückte sich sehr gut aus, so unwissend er auch sein mochte, und brachte es fertig, in seine Liebenswürdigkeit einige Herablassung zu legen. Immerhin geruhte er sich zu erinnern, daß mein Vater ihm zu Reims »sehr hilfreich und dienstbar« gewesen sei, ohne aber zu sagen, daß er ihm seinerzeit das Leben verdankte.
    Diese knauserige Dankbarkeit, dazu jene Spur von Herablassung, die er an den Tag legte, kühlte mich ziemlich ab, und ich gab mir wenig Mühe, ihm zu gefallen.
    Mehr wandte ich auch bei François, dem Malteserritter nicht auf, der damals neunzehn Jahre alt und mit Sicherheitvon allen der Unbesonnenste war, hatte er doch im Glauben an einen Hoftratsch gewagt, zu behaupten, mein Vater habe bei der Hinrichtung des Herzogs Heinrich von Guise die Hand im Spiele gehabt, wofür er sowohl von seiner Mutter als auch von Sully als auch vom König getadelt worden war. Ich fand, seine Züge wirkten gewalttätig und platt, von Geist keine Spur.
    »Wo ist denn Louis geblieben?« sagte Madame de Guise, indem sie ihre Blicke durch den riesigen Saal schweifen ließ, doch ohne viel Erfolg, denn sie sah bekanntlich schlecht.
    »Er war doch eben noch hier«, fuhr sie fort, »hat er sich in Luft aufgelöst? Er ist aber auch ein Leichtfuß! Hat man je einen flatterhafteren Erzbischof gesehen?«
    »Madame«, sagte ich, »wenn Ihr eine violette Robe sucht, sie ist in der Fensternische dort zu Eurer Rechten gerade dabei, einer sehr jungen, sehr schönen Dame Küsse zu rauben.«
    »Was?« fuhr meine Patin auf und eilte beschleunigten Schrittes auf jenes Paar zu, wobei sie wegen ihrer engen Schuhe ein ums andere Mal aufstöhnte. »Aber das ist ja meine Tochter!« rief sie aus,

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