Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
als sie mit der Nase auf die violette Robe und deren Gefährtin stieß. »Louis, Ihr schäkert hier mit Eurer Schwester! Auf meinem Ball! Wollt Ihr Euch in Verruf bringen, so daß Euch der Klatsch mit dem Erzbischof von Lyon vergleicht, der zwanzig Jahre vor aller Augen und Ohren mit der eigenen Schwester gevögelt hat!«
»Frau Mutter, das liegt mir wirklich ferne!« sagte Louis lachend. »Warum muß diese kleine Ziege sich denn auch so sträuben, wenn ich sie auf den Hals küssen will? Habe ich sie nicht über tausendmal geküßt, als sie klein war? Und jetzt ziert sie sich unter dem Vorwand, daß sie mit diesem Idioten verheiratet ist.«
»Ich bin keine Ziege und nicht mehr klein«, sagte die Prinzessin von Conti feurig. »Ich bin nur fünf Jahre jünger als Ihr, mein Alter.«
»Alter!« sagte Louis mit kindischer Entrüstung, »ich, ein Alter! Frau Mutter, Ihr seid mein Zeuge! Seit wann ist man mit dreißig Jahren alt?«
»Zweiunddreißig«, sagte die Prinzessin von Conti.
»Hört zu Louis«, sagte Madame de Guise streng, »ich will hier keine Kindereien. Ihr werdet Euch auf meinem Ball benehmen, wie es Eurer Robe geziemt. Und morgen reist Ihrschleunigst zurück in Euer Erzbistum Reims, und ich verlange, Louis, daß Ihr Euch dort unabweichlich von Jungfern und verheirateten Frauen fernhaltet.«
»Bleiben mir nur die Witwen!« sagte Louis, abermals lachend. »Nur sind nicht alle Witwen so schön wie Ihr, Frau Mama.«
»Mein Herr Sohn«, sagte Madame de Guise, die für meine Begriffe mit ihrem Zorn an sich hielt, um weder ihrer Schminke noch ihrer Frisur zu schaden, »glaubt nicht, Ihr entwaffnet mich durch ein billiges Kompliment. Sollte Euer Gedächtnis schwach sein, helfe ich ihm auf. Erinnert Euch bitte, daß ich gekämpft habe, Monsieur, mit Klauen und Zähnen gekämpft, damit der König Euch zum Erzbischof von Reims machte und Ihr diese Pfründe bekamt! Ihr wäret also sehr undankbar, Monsieur, und ein großer Tor, wenn Ihr die Chancen verspielen würdet, die ich Euch verschafft habe. Mit Euren Einkünften seid Ihr der reichste unter meinen Söhnen. Ihr tragt eine violette Robe, die Euch zum Entzücken steht und Euch überall Respekt verschafft. Man spricht Euch Monseigneur an, küßt Euch die Hand, Prinzessinnen beugen vor Euch das Knie – vor Euch, einem Nachgeborenen! Und wenn Ihr vernünftig seid, Monsieur, aber vernünftig müßt Ihr sein, gibt Euch der Papst in vier, fünf Jahren den Kardinalshut, wie früher Eurem Onkel, und dann steht Ihr am Hof über den Prinzen von Geblüt. Ist das etwa nichts, so hoch im Staate zu steigen? Bei Euren geringen Verdiensten!«
Ich betrachtete den Erzbischof, während Madame de Guise ihm diese Strafpredigt hielt. Tatsächlich stand die violette Robe Louis von Lothringen vortrefflich zu seinem rosigen Gesicht und dem blonden Haar. Er hatte die Lavendelaugen seiner Mutter und wäre ohne sein etwas kurzes Kinn ein sehr schöner Mann gewesen. Er hörte die Rede mit einiger Verlegenheit an, ergriff, als seine Mutter geendet hatte, ihre beiden Hände und bedeckte sie mit Küssen.
»Madame«, sagte er überschwenglich, »Ihr seid die beste aller Mütter! Und Euer Wille geschehe. Ich fahre morgen zurück nach Reims. Übrigens aber«, setzte er mit einer Demut hinzu, die mir nicht gespielt vorkam, »man küßt nicht meine Hand, sondern meinen Ring.«
Sein Ton, seine Worte rührten mich. Wenigstens, sagte ichmir, ist der Erzbischof unter den Unbesonnenen nicht der Schlechteste. Was er nun auch mir bezeigte, indem er mich herzlich, wenn auch recht unbedacht begrüßte.
»Mein Herr Cousin«, sagte er, »wie freue ich mich, Euch kennenzulernen! Meine Mutter sagte mir, Ihr könnt Latein! Und schreibt Französisch wie ein Engel! Bittet den König, daß er Euch zum Bischof ernennt, und ich nehme Euch auf der Stelle zum Coadjutor. Ich brauche unbedingt jemanden, der meine Homelien verfaßt, die längeren Messen abhält, unterm Baldachin unsere endlosen Prozessionen anführt und der sorgsam über den Gang meiner Diözese wacht: alles Dinge, die Ihr bei soviel Geist unendlich besser könntet als ich.«
»Monseigneur«, sagte ich, »wenn ich Euch recht verstehe, wären wir in dieser Sache ja gleichgestellt. Ich würde Euer Erzbistum verwalten, und Ihr bezöget die Einkünfte.«
Woraufhin Madame de Guise und die Prinzessin von Conti lauthals lachten. Eine Heiterkeit, in welche der Erzbischof mit einiger Verspätung einstimmte, zu gutmütig, um mir die kleine Spitze
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