Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
einzige überlebende Guise seiner Zeit, da seine beiden Brüder von Heinrich III. in Blois ermordet worden waren und seine Schwester, die hinkende Montpensier, nach dem Friedensschluß gestorben war), »ich möchte Eurem Wohlwollen meinen schönen Patensohn empfehlen, den Chevalier de Siorac.«
Der Herzog von Mayenne, vor dem ich das Knie beugte, ein Vielfraß, Vielschläfer, mit kolossalem Gesäß und Schmerbauch, auch ein bißchen schlagflüssig und gichtig, aber mit listigeren Augen als ein Elefant, nickte mir leicht zu, schloß halb die Lider und betrachtete mich eine lange Minute schweigend. Beide Hände auf seinen gewaltigen Schenkeln, sprach er schließlich mit langsamer Stimme, aber wohlartikuliert: »Ich lernte den Marquis de Siorac während der Belagerung von Amiens kennen, nachdem ich die Liga verlassen hatte und in das Lager von Henri Quatre übergetreten war.«
»Mein Vater hat es mir erzählt, Monseigneur.«
»Hat er Euch auch erzählt, wie wir, während wir Amiens belagerten, das von den Spaniern gehalten wurde, unserseits wiederum von Prinz Albert angegriffen wurden?«
»Ja, Monseigneur.«
»Hat er Euch unterrichtet, welchen Teil ich an dieser Schlacht hatte?«
»Ja, Monseigneur.«
»Welchen?«
»Ihr, Monseigneur, habt die Südflanke der Belagerer gegen die Attacke von Prinz Albert verteidigt, welcher vergeblich versuchte, eine Schiffsbrücke über die Somme zu werfen, um seine Kanonen hinüberzuholen. Außerdem hattet Ihr Henri gewarnt, daß der Angriff, da die von Euch befehligte Flanke zu schwach befestigt war, gerade von dort kommen könnte.«
»Und wer widersprach mir hochfahrend in diesem Punkt?«
»Der Marschall von Biron.«
»Wißt Ihr, wann ich die Liga verlassen habe, um mich mit Henri zu verbünden?«
»Als der König sich zum Katholizismus bekehrte, befandet Ihr, daß die Liga ihr Daseinsrecht verloren hatte.«
»Habt Ihr das gehört, Sommerive?« sagte der Herzog von Mayenne.
Hiermit wandte er den Kopf, vielmehr wollte er ihn wenden, aber sein Hals hatte jede Beweglichkeit eingebüßt und saß auf dem Rumpf wie eingewachsen, also mußte er sich im ganzen drehen, um denjenigen zu sehen, zu dem er sprach: einem schönen Kavalier von gut zwanzig Jahren, der zur Linken seines Sessels stand.
»Ja, Herr Vater«, sagte Sommerive, indem er ihm sein klares Gesicht zuwandte, »und ich bin ziemlich sprachlos. Ich wußte diese Einzelheiten über die Belagerung von Amiens nicht. Der Chevalier ist sehr kenntnisreich.«
»Und, ich glaube, auch sehr aufgeweckt für sein Alter«, sagte Mayenne.
Und indem er sich aufs neue zu mir umwandte, mit derselben langsamen Drehung seines gesammten massigen Rumpfes, der seinen Worten so großes Gewicht zu geben schien, sagte er: »Was wäre nach Eurer Ansicht passiert, wenn ich, das Oberhaupt des Hauses Lothringen nach dem Tod meiner Brüder, mich damals Henri nicht unterworfen hätte?«
Ich warf einen Blick zu Madame de Guise, einen zu Sommerive und einen weiteren zu den vier Lothringer Prinzen, die offenen Mundes dem Gespräch lauschten. Da ich zögerte, sagte Mayenne in entschiedenem Ton, aber ohne die Stimme zu heben: »Sagt ohne Furcht, was Ihr denkt.«
Ich blickte von neuem auf meine Patin, dann auf die lothringischen Prinzen und sagte: »Das Haus Lothringen hätte es schwer gebüßt.«
»Habt Ihr das gehört, Sommerive?« fragte Mayenne.
»Ja, Herr Vater.«
»Was sagt Ihr dazu?«
»Es ist die reine Vernunft.«
»Und was sagen meine schönen Herren Neffen?« fragte Mayenne, die Brauen hebend und mit einem durchdringenden Blick auf Charles von Lothringen, von dem er als dem ältestenPrinzen und regierenden Herzog eine verbindliche Antwort, auch im Namen seiner Brüder, erwartete.
»Ich bin der Meinung von Sommerive«, sagte der Herzog mit allerdings dürrer Stimme. »Und außerdem bin ich Eurem Beispiel gefolgt, mein Onkel, und habe mich ebenfalls Henri unterworfen.«
»Charles«, sagte Mayenne mit verhüllter Ironie, »ich freue mich über Euer Einverständnis. Mir kam es manchmal vor, als gäbe es darüber Zweifel im Hause Lothringen und als dächten einige in ihrem unendlichen Leichtsinn daran, alte Feindseligkeiten neu zu entfachen.«
»Mein Onkel«, sagte Charles betreten, »davon ist mir nichts bekannt.«
»Dann bin ich ja froh. Also vergeßt nicht, ich will keinen Streit mehr zwischen dem Haus Guise und dem Haus Bourbon. Sommerive«, fuhr er fort, »gefällt Euch der Chevalier de Siorac?«
»Sehr. Bassompierre, der ihn sehr
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