Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
schien, in aller Unschuld. »Trotzdem, er ist noch jung. Er weiß noch nicht, daß es seine Pflicht ist, einer Frau zu sagen, sie sei schön, denn das Wort ›hübsch‹ ist bei weitem nicht auf der Höhe unserer Verdienste. Chevalier«, sagte sie, an mich gewandt, »seht Ihr jene rothaarige Dirne dort, die Madame de Guise nachläuft und ihr fächelt? Findet Ihr sie schön?«
»Nein, Madame.«
»Lügt er, oder ist er ehrlich?« fragte sie meinen Vater. »Es wäre wirklich gräßlich, wenn er in seinem Alter schon löge. Ich habe ihn mit jener kleinen Person in angeregter Unterhaltung gesehen.«
»Madame«, sagte ich, »mit Eurer Erlaubnis würde ich sagen, ich finde sie sehr anziehend. Deshalb habe ich ihr einen Tanz reserviert. Ratet Ihr mir, ihr beim Tanz zu sagen, sie sei schön?«
»Ah, Marquise!« sagte mein Vater lachend, »nun sitzt Ihr in der Falle. Ihr ratet ihm, die Damen zu beschwindeln. Und nachher werft Ihr es ihm vor.«
»Das ist kein Widerspruch!« sagte lebhaft die kleine Marquise mit einem kleinen Lächeln. »Ich wünschte, alle Männer der Welt hätten nur ein einziges Herz, und dieses einzige Herz schlüge nur für mich.«
»Meines habt Ihr schon«, sagte mein Vater, »und das meines Sohnes. Ist Euch nicht aufgefallen, wie Pierre-Emmanuel Euch mit den Augen verschlingt?«
»Aber die hungrigen Augen hat er von Natur aus. Ich habe gesehen, wie seine Blicke an jedem haften, ob Mann oder Frau. Und nach dem, was mir Bassompierre sagte, ist er auch ebenso wißbegierig und liest Vergil im Original. Mein Gott, wie ich ihn beneide!«
»Ob Vergil oder nicht«, sagte mein Vater, »unser beider Herzen gehören Euch. Dafür schuldet Ihr uns ein Pfand. Ihm oder mir. Ihr könnt wählen.«
»Ich gebe meine Freundschaft dem einen wie dem anderen.«
»Nicht schlecht, ist aber ein bißchen wenig.«
»Wieso wenig! Marquis, Ihr wißt doch, wie treu ich meinem Gatten bin. Der gute Charles kann, Gott sei Dank, auf beiden Ohren schlafen. Im übrigen, wenn man vom ... Er sucht mich, wie ich sehe. Ich verlasse Euch.«
»Sollte er eifersüchtig sein?«
»Er hat dazu keinen Grund. Drei Dinge gibt es, die der Marquis zu besitzen unerhört stolz ist: seine Hunde, seine Pferde und mich.«
»Aber das kostspielige Palais, das Charles in der Rue Saint-Thomas-du-Louvre erbauen läßt, ist nicht für seine Hunde und Pferde?«
»Kostspielig? Gefällt es Euch nicht?«
»Ich bin alte Schule. Ich mag diese Vermischung von Ziegel und Stein nicht, auf die man heutzutage so erpicht ist.«
»Aber innen ist es wunderschön. Die Pläne habe ich selbst gemacht. Kommt Ihr mich besuchen?« setzte sie schelmisch hinzu. »Man sagt, Ihr lebt wie ein Bär mit Eurem Bärenjungen. Kann meine Tugend Euch derart abstoßen?«
»Gratior et pulchro veniens in corpore virtus«,
sagte ich und wurde rot.
»Ach, Chevalier! Das müßt Ihr mir übersetzen«, sagte sie mit reizender Wißbegierde.
»›Die Tugend ist um so angenehmer, wenn sie uns in schöner Hülle kommt.‹ Das ist Vergil, Madame, Euch zu dienen.«
»Ist er nicht zauberhaft?« sagte sie. »Und das sagt er errötend! Marquis«, sagte sie, an meinen Vater gewandt, und ergriff seine beiden Hände, »kommt mich besuchen, bitte, und kommt mit Eurem Sohn. Adieu. Charles hat mich gesehen. Er wird gleich hier sein.«
Und sie verließ uns mit einem großen Schwingen ihres Reifrocks.
»Das ist eine Circe«, sagte mein Vater, »aber anstatt einen in ein Schwein zu verwandeln, sucht sie einen zum Engel zu machen. Mein Sohn, weshalb habt Ihr
in pulchro corpore
mit ›in schöner Hülle‹ übersetzt?«
»Ich dachte, ›in einem schönen Körper‹ könnte sie verletzen. Sie soll sehr prüde sein.«
»Sie ist es«, sagte er lachend. »Charles wäre überglücklich, kennte er sein Glück.«
»Wie ist er?«
»Groß, hat eine große Nase und große Ohren. Den ganzen Tag jagt er, die ganze Nacht schläft er. Sein Vater war seinerzeit ein sehr geschätzter Diplomat. Was die Marquise angeht, so ist sie hochwohlgeboren. Sie stammt von den Fürsten Savelli ab.«
»Sie ist geistreich.«
»Sie hat mehr Geist als irgendeine andere Frau im Louvre. Darum langweilt sie sich am Hof zu Tode und ist am liebsten daheim in ihrem kleinen Freundeskreis.«
Hiermit zog er mich in eine Fensternische und fragte, was ich im Hôtel de Grenelle seit meiner Ankunft gesehen und erlebt hätte. Ich erzählte es ihm, aber sehr leise, denn mir war nicht entgangen, daß jetzt eine ganze Reihe Leute mich neugierig
Weitere Kostenlose Bücher