Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
mich interesselos streiften?
    Mitten in diesen Gedanken hörte ich, wie der Comte de Soissons, jetzt kaum einen Klafter von mir entfernt, mit sehr lauter Stimme Monsieur de Réchignevoisin befahl, ihn dorthin zu führen, wo die Prinzen von Geblüt saßen. Er legte eine Unverschämtheit in diesen Befehl, als stünden nach der Herzogin von Guise, die seine Cousine war, nur seine anderen beiden Cousins und sein Bruder hoch genug im Königreich, daß er das Wort an sie richten könne. Nach einer Verbeugung, die bis zum Knie des Comte hinabreichte, versicherte ihn Monsieur de Réchignevoisin sanftmütig seines Gehorsams und öffnete ihm, voranschreitend, eine Bahn durch die Menge, woraufhin das Gefolge des Comte sich in die Bresche warf.
    Der Comte de Soissons nun ging gewichtigen Schrittes einher, mit gewölbter Brust, das Kinn gereckt, den Kopf in den Nacken geworfen. Er wäre ein schöner Mann gewesen, hätte sein Gesicht nicht einen so streitbaren Dünkel ausgedrückt, daß er es um ein groß Teil Menschlichkeit beschnitt. Mit einiger Erheiterung fragte ich mich im stillen, wie der Comte es wohl anstellen werde, mit den von ihm Erwählten trotz ihrer Behinderungen ein Gespräch zu führen. Von dieser Begier, zu sehen und zu wissen, getrieben, die man meine läßliche Sünde nennt, scheute ich mich nicht, mich unter das Gefolge zu mischen und mich derweise den Prinzen von Geblüt zu nähern.
    Sie hatten Verstärkung bekommen, wenn es denn eine war, und zwar in Gestalt eines jungen Edelmannes, den ich noch nie gesehen hatte und gleichwohl sofort als den Prinzen von Condé erkannte, weil mein Vater mir gesagt hatte, er sei »der einzige Bourbone, bei dem die Nase nicht lang und am Ende gebogen ist, sondern vorspringt wie ein Adlerschnabel«. Diese Eigenheit, die man bei einem kräftigen Mann als ein Zeichen von Stärke angesehen hätte, paarte sich bei dem Prinzen mit einem Gesicht und einem Körper von geradezu durchscheinender Schmächtigkeit.
    »Ich wünsche Euch einen guten Abend, mein Herr Bruder«, sagte der Comte de Soissons zu dem Prinzen von Conti.
    Vermutlich sah der Prinz von Conti den Gruß seines jüngeren Bruders eher, als daß er ihn hörte. Wie dem auch sei, ertauchte aus dem Schweigen hervor, zu dem ihn sein furchtbares Stottern verdammte.
    »Gugugun Abebebend, Chachacharles«, sagte er dumpf. Und über sein Gesicht huschte eine Bewegung, als wollte er lächeln.
    »Guten Abend, Henri! Guten Abend, Henri!« fuhr der Comte de Soissons mit schmetternder Stimme fort.
    Die kuriose Wiederholung brachte mich darauf, daß die beiden Angeredeten denselben Vornamen hatten. Der Prinz von Conti, der aufgestanden war, antwortete mit einer tiefen, seinem Alter angemessenen Verbeugung; der Herzog von Montpensier, der zusammengesunken in seinem Sessel hockte, als halte ihn sein Rücken nicht mehr, hob zum Gruß eine skeletthafte Hand, die, kaum in Schulterhöhe gelangt, wieder kraftlos auf sein Knie herabfiel.
    »Wie geht es Euch, Charles?« sagte er, wobei er mit Mühe seinen wunden Kiefer bewegte und so undeutlich sprach, daß die Worte wie Brei aus seinem Mund kamen.
    »Wie es mir geht?« sagte der Comte de Soissons mit gewaltiger Stimme. »Ich rase! Ich habe einen furchtbaren Zorn! Und ohne meine Zuneigung zu meiner werten Cousine de Guise hätte ich den Fuß nie auf diesen Ball gesetzt. Von ihr und Euch abgesehen, habe ich nichts zu tun mit den Halunken, die sich hier befinden! Sagt das überall, bitte! Sagt das meinem gekrönten Cousin! Sagt ihm auch, daß ich gleich morgen den Staub des Louvre von meinen Schuhen schütteln und mich auf eines meiner Häuser zurückziehen werde. Ich reise ab! Ich werde die Kränkung nicht länger ertragen, die man mir angetan hat und die uns alle vier betrifft! Ja, uns alle vier! Euch, mein älterer Bruder, wie auch Euch, meine schönen Cousins.«
    Der ältere hatte, wie ich sah, kein Sterbenswörtchen von dieser Rede verstanden. Anfangs hatten seine Augen geflackert, weil er sich wahrscheinlich fragte, ob er der Gegenstand dieses großen Zorns sei. Aber als er merkte, daß Soissons sich ebenso an seine Cousins wandte, war er beruhigt in seine Schweigemauern zurückgekehrt, und er sah seinen jüngeren Bruder mit höflichem Interesse an, ohne auch nur das Horn an sein linkes Ohr zu legen, das ihm den Schall verstärkte. Anders die beiden »schönen Cousins«. Der arme Herzog von Montpensier verhehlte kaum, wie sehr die Vehemenzdes Comte de Soissons ihn belästigte. Der Prinz von

Weitere Kostenlose Bücher