Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
Condé hingegen hatte seiner Schmährede gierig gelauscht. Und als Soissons respektlos von seinem »gekrönten Cousin« sprach, hatte er böse aufgelacht. Ich war ganz verwirrt. Daß die eigenen Verwandten Henri in der Weise behandelten, und das vor aller Ohren, sprach Bände sowohl über die Nachsicht des Königs wie über ihre eigene Leichtfertigkeit.
    Soissons’ Zorn hatte sich zu einem solchen Hitzegrad gesteigert, daß er kaum noch Luft bekam.
    »Dieser kleine Cäsar!« sagte er mit rauher Stimme. »Alle Wetter! Wer hätte gedacht, daß dieser kleine Cäsar seine unersättliche Arroganz so weit treiben würde? Aber was Wunder auch! Kaum war er aus dem Bauch dieser Nichtswürdigen gekrochen, da behätschelte ihn der König schon mit dem Herzogstitel. Ein Bastard und Herzog! Nicht daß ich etwas gegen Bastarde habe. Soll ein Edelmann sein Blut nicht ehren? Aber Herzog! Alles, was recht ist! Bei der Geburt! Kaum geboren, war er schon Herzog von Vendôme. Und der König verlobt ihn mit der Tochter des Herzogs von Mercœur, einer der reichsten Erbinnen des Landes, mit dem Versprechen obendrein, ihn bei seiner Großjährigkeit zum Gouverneur der Bretagne zu ernennen. Mein sehr geliebter Herr Bruder«, sagte er, indem er sich an den Prinzen von Conti wandte und ihm sein Verlangen durch Gesten deutlich machte, »legt gütigst Euer Horn an das Ohr und hört mir zu. Diese Sache ist von allerhöchster Tragweite! Ihr müßt sie vernehmen: es ist dies! Der kleine Cäsar, der heute zwölf Jahre alt ist und in zwei Jahren die kleine Mercœur heiraten soll, hat sich vom König erbeten und hat es erlangt – hört Ihr mich«, sagte er, indem er das Wort wütend skandierte –, »er hat es erlangt, daß seine Zukünftige bei ihrer Hochzeit ein lilienbesätes Kleid tragen darf wie eine Prinzessin von Geblüt!«
    Der Comte de Soissons stand, beide Hände in die Hüften gestemmt, und richtete seine funkelnden Blicke auf seinen Bruder und seine Cousins, dann wandte er sich zu den Edelleuten seines Gefolges um und erwies ihnen die Ehre, sie zum Zeugen dieses Skandals zu nehmen.
    »Meine Herren, habt Ihr diese Ungeheuerlichkeit vernommen! Die Entscheidung ist gefallen! Die Gemahlin des Herzogs von Vendôme wird bei ihrer Hochzeit ein lilienbesätesKleid tragen wie die Herzogin von Montpensier! Wie die Prinzessin von Conti! Wie die Comtesse de Soissons!«
    Ich starrte den Comte an. Ich war sprachlos. Dieser ganze große Zorn gebar eine Maus. Ein Kleid! Ein Kleid, ob besät oder nicht besät mit Lilien! Das noch nicht einmal vorhanden war! Noch nicht einmal bestellt, da die Eheschließung mit der kleinen Mercœur erst in zwei Jahren statthaben sollte! Eine Staatsaffäre um einen Reifrock! ...
    Immerhin konnte ich nicht umhin festzustellen, daß die Edelleute und Damen, die den Reden des Comte gelauscht hatten, ihm im Grunde nicht unrecht gaben, auch wenn sie den Entschluß des Comte unsinnig fanden, den Staub des Louvre von seinen Füßen zu schütteln. Für sie, wie es mein Vater an die hundertmal gesagt und wie es Joinville vorhin ja mit Leidenschaft wiederholt hatte, hieß den Louvre verlassen soviel wie sterben! Aber gerade weil sie so an den Privilegien ihres Ranges hingen, berührte sie die Anklagerede des Comte. Ich hatte gesehen, wie sie, während sie ihm zuhörten, die Nase gerümpft, die Brauen verzogen, Blicke gewechselt oder den Kopf geschüttelt hatten. Nein, die Gemahlin eines Bastards, und sei er ein königlicher, durfte sich nicht anmaßen, ihr Kleid mit Lilien zu schmücken.
    Ein Getöse erschallte, der Stimmenlärm im Saal erstarb nach und nach. Die Trompeten und Trommeln der französischen Garden, die im Hof den Zugang zum Hôtel de Grenelle bewachten, stimmten den »Auftritt des Königs« an, auch eine der Weisen, die mir der Dauphin so hübsch im Garten von Saint-Germain-en-Laye vorgespielt hatte. Im Saal wurde es still. Der Comte de Soissons schritt allen sichtbarlich hinaus, nicht zum Hofe hin, wo er unvermeidlich seinem Cousin begegnet wäre, sondern zur Gartenseite. Und Monsieur de Réchignevoisin trat vor, seinen Hofmarschallstock in der Hand, und nachdem er ihn kräftig aufs Parkett aufgestoßen hatte, rief er mit tönender Stimme: »Meine Damen, meine Herren, der König!«
    ***
    Kaum erschien der König, in weißen Satin gewandet, da wich die Menge der Gäste im Ballsaal nach beiden Seiten so gefügig vor ihm auseinander wie das Rote Meer vor den Hebräern.Und Henri schritt, wenn ich so sagen darf, trockenen

Weitere Kostenlose Bücher