Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
mit kehligem Kichern begleitete. Ich merkte wohl, daß meine liebe Patin gar nicht so böse war, halb entkleidet zu werden, sei es auch in meinem Beisein, denn ihr Körper war fest, rund und viel jünger, als ihr Alter besagte.
Zwischen Mieder und Baskine gab es noch ein ausgeschnittenes Hemd, und mein Vater erlöste sie auch davon.
»Wie?« sagte sie, »auch das Hemd?«
»Aus gutem Grund! Wenn eine Hülle wegfällt, kann ich Eure Baskine lockern, und ihr könnt danach das Mieder trotzdem wieder anlegen.«
»Aber ohne Hemd liegen meine Reize so weit offen!«
»Wer wird sich darüber beklagen, Madame? Sind sie weniger schön als die der Sobol, die sich bis zum Bauchnabel dekolletiert?«
»Ich verbiete Euch, diesem Skandal einen Blick zu gönnen! Der Schamlosen werde ich morgen die Leviten lesen.«
»Das wäre unbarmherzig. Wenn eine Jungfer sich in dem Maße entblößt, sucht sie verzweifelt einen Mann.«
Wieder eingehüllt und beschuht, aber behaglicher nun, kam Madame de Guise ohne Umschweife zur Sache.
»Ihr wart also die letzten zwei Stunden im Louvre.«
»Ja, Madame. Kurz nach Pierres Aufbruch wurde ich durch einen Pagen gerufen und über die kleine Geheimtreppe ins Gemach des Königs geführt, wo ich auch Sully antraf. Man hatte Henri für Euren Ball angekleidet, ein Diener bemühte sich, ein wenig Ordnung in seine wirren Haare zu bringen – was er nur widerstrebend duldete, weil er seinen Kopf sehr ungern berühren läßt. Aber schließlich hielt der Diener ihm einen Spiegel vor, Henri warf den kürzesten Blick der Welt hinein, erklärte, daß er so sehr gut aussehe, und befahl Merlin, seine Herrin fragen zu gehen, ob sie fertig sei.
Der Zwerg entfernte sich wiegenden Schrittes auf seinenkurzen Beinen, verschwand durch die kleine Tür und kam fast augenblicks rot und halbtot vor Angst zurück. Er fiel vor Henri auf die Knie, warf sich sogar zu Boden, was ihn derart verkürzte, daß man nur noch einen dicken Kopf am Fußboden sah. ›Sire‹, sagte er mit zitternder Stimme, ›die Königin erklärt, sie komme nicht mit zum Ball.‹ – ›Alle Wetter!‹ schrie der König, ›was soll der Zirkus? Sag ihr, ich erwarte, daß sie sofort hier erscheint!‹
Tief verschreckt ging Merlin (denn es heißt, die Königin traktiert ihn mehr mit Fußtritten als mit Freundlichkeiten) und kam nicht wieder. Der König lief, weiß vor Zorn, auf und ab durch den Raum, die Hände auf dem Rücken, und hämmerte mit gereiztem Schritt das Parkett. ›Rosny‹, sagte er schließlich zu Sully, ›geh mir die Widerspenstige holen, und wenn sie nicht will, dann bring sie mit Gewalt!‹ – ›Mit Gewalt, Sire?‹ sagte Sully, dessen vorstehende Augen aus dem Kopf springen wollten, ›mit Gewalt?‹ – ›Das ist ein Befehl!‹«
»Gerechter Himmel!« sagte Madame de Guise. »Und kam sie?«
»Sie kam freiwillig, aber im Hauskleid, unfrisiert, ohne Schminke, und bleckte die Zähne. Eine wahre Gorgone! Sie sah aus, als ob jede ihrer Haarsträhnen in einer Schlange endete und als zischten all diese Schlangen auf ein Mal.«
»Gorgone! Schlangen! Monsieur, wo nehmt Ihr bloß immer diese Ausdrücke her?«
»Kurzum, die Königin wütete. Was ihr Gesicht kaum schöner machte. Was es ja ohnehin nicht ist mit diesem vorstehenden Habsburgerkinn, der großen, langen Nase, der mürrischen Miene und diesem bleichen Teint ...«
»Monsieur, sprecht besser von der Königin!«
»Ich schildere nur das Dekorum. ›Monsieur‹, sagte die Königin, indem sie auf Henri zuging ...«
»Hat sie nicht ›Sire‹ gesagt?«
»Sie sagte ›Monsieur‹. ›Monsieur‹, sagte sie also, ›ich habe meine
decisione
1 gefaßt! Ich gehe nicht auf den Ball von Madame de Guise. Ich will nicht dieserr Hurre begegnen!«
»Ich? Ich? Eine Hure?« schrie Madame de Guise auf, »diese Megäre wagt es ...«
»Nicht doch, Madame! Nicht doch! Es war nicht von Euch die Rede, gemeint war die Marquise de Verneuil.«
»Die Marquise! Aber ich habe sie doch gar nicht eingeladen! Ich habe mich wohl gehütet!«
»Das hat ihr der König auch gesagt. Aber sie glaubte es nicht. Und der arme Henri bekam sein Fett ab. ›Seitdem diese Hurre Euch behext‹, schrie sie, ›Ihrr habt den Verrstand verrlorren. Sie konspirrierrt gegen Euch und gegen meinen Dauphin! Sie will Euch töten! Euch und meinen Dauphin! Das Hohe Gericht verurrteilt sie zu Todesstrrafe! Und Ihrr, Ihrr verrzeiht ihrr!
Questo è il colmo!
1 ‹ – ›Der Gipfel, Madame, der Gipfel!‹ sagte der König.
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