Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
unnachahmlich.«
»Monsieur, müßt Ihr Euch unter diesen Umständen über mich lustig machen?«
»Überhaupt nicht. Wenn die Königin nicht Eure Handschrift erkennt, denkt sie, es sei eine List des Königs. Sie ist äußerst mißtrauisch, wie Ihr wißt. Sie glaubt doch, alle Welt betrüge sie. Und alle Franzosen seien Verräter.«
FÜNFTES KAPITEL
Als an jenem denkwürdigen Ballabend Bassompierre, der Bitte von Madame de Guise gehorchend, zu uns ins Zimmer kam und aus ihrem Munde erfuhr, was sie von ihm wollte, zeigte er sich auf einmal vorsichtig wie eine Katze: lauernde Augen, der Schnurrbart gespannt.
Die Hände auf dem Rücken verschränkt, ging er auf und ab und sagte kein Wort, hielt die Stirn gesenkt und die Augen auf das Muster des Orientteppichs gerichtet, der seine Schritte verschluckte. Er wagte eine so heikle Mission weder abzulehnen noch anzunehmen: der schöne Kater fürchtete, sich die Pfoten zu verbrennen.
Heikel war sie allerdings für ihn, den zwar wohlgeborenen, aber deutschen Edelmann, der alles der Gunst des Königs und der Königin verdankte, denn weil er so geschmackvoll war, zu verlieren, spielte sie mit ihm Tag und Nacht Karten – weshalb er eben jenen ungehinderten Zutritt zu ihren Gemächern hatte. Selbst Sully wurde dort nicht so ohne weiteres zugelassen.
Gegenüber Joinville hatte Bassompierre erst vor einer Stunde seine goldene Regel preisgegeben: er sei »der Pfarrsohn dessen, der Pfarrer ist«. Aber unter den gegebenen Umständen war es nicht so leicht auszumachen, wer eigentlich der »Pfarrer« war – der König oder die Königin. Angenommen, Maria von Medici würde sich der Botschaft, die er brächte, verweigern und ihren Casus dadurch verschlimmern, dann würde sie, wenn sie eines Tages wieder in Gunst geriete, dem Boten dieser Verschlimmerung keinesfalls Dank wissen. Wenn andererseits aber der König im stillen schon entschlossen wäre, sie in die Toskana zurückzuschicken oder zumindest auf eines seiner Schlösser zu verbannen, würde die verspätete Ankunft der Königin auf dem Ball, sofern das Billett von Madame de Guise sie überzeugen könnte, den königlichen Plänen sogar stark zuwiderlaufen. Und schließlich, wie sollte er einer so hohen Dame wie der Herzogin von Guise etwas abschlagen, einer Cousine des Königs, die sichso gut bei Hofe stand und hinsichtlich deren Tochter – ich hatte es ja mit eigenen Augen gesehen – Bassompierre so zärtliche Absichten und vielleicht so naheliegende Hoffnungen hegte, da der Prinz von Conti offensichtlich nicht unsterblich war?
In seiner Ratlosigkeit kam Bassompierre zu einem Entschluß, der mich im Augenblick erstaunte: Er legte Madame de Guise offen die Gründe seines Zögerns dar und schlug eine Abänderung ihres Planes vor. Sie solle ihren Sohn Joinville beauftragen, den Brief zu überreichen, Bassompierre würde ihm nur den Weg zu den Gemächern der Königin ebnen. Und sowie sie beide zum Louvre aufgebrochen wären, sollte Madame de Guise den König über ihren Schritt unterrichten.
Je länger ich heute in reifen Jahren darüber nachsinne, desto mehr gebe ich ihm recht. Wie geschickt er doch war, der schöne Bassompierre! Geschickt, umsichtig und so schonungsvoll mit der Macht, ja mit allen Mächten, daß es ihm gelang, sein schwankes Boot durch manche Klippen zu steuern und es bis zum Marschall von Frankreich zu bringen!
Vor Zuversicht strahlend, aber mit zugenähtem Mund kehrten wir zurück in den Ballsaal, wo die trübseligste Stimmung herrschte, denn noch immer schwiegen die Geigen, saß der König ohne Königin da und harrte der Hof raunend und bangend wie in Erwartung großer Trauer. Um die Wahrheit zu sagen, mußte man auch jetzt noch lange warten, so daß wir uns schon fragten, ob unser Versuch nicht fehlgeschlagen war – als die Trommeln im Hof des Hôtels plötzlich zu wirbeln begannen und Monsieur de Réchignevoisin nach einem Blick aus dem Fenster seinen Stock aufs Parkett stieß und mit einer Stimme, der große Erleichterung und eine Spur von Triumph anzuhören war, endlich verkündigen konnte: »Sire! Die Königin!«
Ein Jubelschrei brach los, kaum daß die Königin, mit ihren Ehrenjungfern vornweg und ihrem zahlreichen Gefolge hinterher, den Ballsaal betrat, welcher – ich meine, der Jubelschrei – sich zu freudigen Akklamationen steigerte, während der König lächelnd von der Estrade herabstieg und lebhaft und mit ausgebreiteten Händen Ihrer Gnädigsten Majestät entgegenschritt. Man hätte
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