Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
gemeinsam aufgewachsen. Die Galigai«, fügte er hinzu, »ist bürgerlicher Herkunft und, wie die Prinzessin von Conti sagt, dermaßen häßlich, daß sie nicht ›ansehbar‹ ist. Aber dafür hat sie mehr Verstand als nötig. Jedenfalls ist sie, wenn es um die Königin geht, klug für zwei.«
»Und Concino Concini?«
»Concini ist ein Edelmann aus bestem florentinischen Hause, aber in seinem Vaterland durch Laster und Schulden verschrien, ein Mann ohne die mindesten Skrupel, der dazu mehr als einmal im Kerker saß. Deshalb war sein Onkel, ein Minister des Großherzogs der Toskana, heilfroh, als er ihn im Gepäck Maria von Medicis nach Frankreich expedieren konnte. Auf der Reise verfehlte Concini nicht, zu beobachten, welchen Einfluß die Galigai auf die künftige Königin von Frankreich hatte, und ohne ihre Geburt noch ihre Häßlichkeit zu beachten, aber fest entschlossen, dank ihrer sein Glück zu machen, verführte und heiratete er sie.«
»Joinville sagt, er sei sehr schön.«
»Urteilt selbst. Ihr seht ihn zu Eurer Linken in jener Fensternische dort, wo er sich mit Vitry unterhält. Den Marquis de Vitry kennt Ihr doch. Er ist Hauptmann der französischen Garden und hat schon öfter bei uns gespeist.«
Vitrys schwere Erscheinung war mir tatsächlich vertraut. Mit seinem breiten Gesicht, der dicken Nase, dem mächtigen Kinn, der niedrigen Stirn war er ein tüchtiger Soldat, stark, rauh, tapfer und königstreu. Ohne Ungeduld oder Langeweile zu bekunden, hörte er Concini reden, während er mit den Augen an Charlotte des Essarts hing.
Concini hingegen interessierte sich nur für sich selbst. Verglich man ihn mit dem ungeschliffenen Vitry, erschien er raffiniert: groß, schlank, reich gekleidet, elegant in Haltung und Gebärden, eine breite, hohe Stirn, eine gebogene Nase und unter den gewölbten Brauen grüne Mandelaugen, groß, glänzend, blank, die ich faszinierend gefunden hätte, wäre ihr Ausdruck mir angenehm erschienen.
»Nun«, sagte mein Vater, »findet Ihr ihn schön?«
»Ja und nein. Es liegt etwas Falsches und Ruchloses in seiner ganzen Person.«
Ohne Antwort verließ mich mein Vater, wahrscheinlich durch einen Blick von Madame de Guise fortgerufen. Da der Gegenstand von Vitrys Aufmerksamkeit auch die meine erregt hatte, betrachtete ich Charlotte des Essarts im einzelnen und fragte mich nach beendeter Prüfung, ob ich an Stelle des Königs sie wohl auch zu meiner Geliebten gemacht hätte. Ich erwog das Problem mit aller Ernsthaftigkeit, obwohl es sich janicht stellte. Schließlich befand ich, nein. Sie war klein, brünett, gut beisammen, das Gesicht war niedlich, der Blick ungeniert. Und diese Ungeniertheit gefiel mir nicht.
Übrigens war sie nicht allein. Mein Halbbruder, der temperamentvolle Erzbischof von Guise, der mit Rücksicht auf seine violette Robe nicht tanzen durfte, hielt sich schadlos, indem er sich sehr eng mit der Dame unterhielt, und wie ich mit einem Blick in die Runde feststellte, mißfiel dies drei Personen entschieden: dem König, Madame de Guise, die indessen nicht einschreiten konnte, weil ein buntgeputzter Edelmann auf sie einredete, und dem Hauptmann Vitry, der zwar ein zu guter und ergebener Soldat war, um eine von seinem König geliebte Frau zu umwerben, der aber auch zu verliebt in sie war, um seinen Blicken die Freiheit zu mißgönnen, sich – sehr vorsichtig – an ihrer pikanten Schönheit zu weiden.
***
Mein Vater war von mir zu Madame de Guise geeilt, weil sie ihn zu Hilfe gerufen hatte – vermutlich, damit er sie von dem buntgeputzten Alten befreie, der sie in Beschlag genommen hatte und sie damit hinderte, ihren Sohn, den Erzbischof, der lebendigen Falle zu entwinden, in der er versank. Aber mein Vater konnte meine teure Patin doch nicht sofort erreichen, weil er wiederum von einer sehr reich gekleideten Dame aufgehalten wurde, die ihm tausend Freundlichkeiten sagte: ein Schauspiel, das die Ängste der Herzogin gewiß noch vermehrte. Nach einigen Minuten indes gelang es meinem Vater, sich vom Haken der Schönen loszureißen, und er steuerte durch die Menge, bis er sich zu meiner Patin gesellte. Nun übernahm er die Staffette, indem er dem pompösen Alten so viele Höflichkeiten erwies, daß die Herzogin sich davonstehlen und zur Abkanzelung des Erzbischofs schreiten konnte. Da machte mein Vater nun mir mit den Augen ein Zeichen, ich solle zu ihm kommen, was ich indessen nicht sofort konnte, denn als ich mich in Bewegung setzte, sah ich vor mir Joinville
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