Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
nun annehmen sollen, ein so warmherziger Empfang seitens des Königs wie auch des Hofes hätte die Empfangene berührt und ein Lächeln auf ihre Lippen gezaubert.Nichts dergleichen geschah. Den Nacken starr, das Kinn aufgeworfen, blieb sie hochfahrend und mürrisch, sie machte dem König eine stocksteife Reverenz und streckte ihm die Hand entgegen, als wolle sie ihn auf Abstand halten. Um wieviel feiner war da unser Henri! Ohne böse Miene zu machen noch sich irgend anmerken zu lassen, daß er Marias Kälte spürte, lächelte er ihr weiter zu, küßte sie auf beide Wangen und erkundigte sich, für jedermann hörbar, nach ihrer Gesundheit, als wollte er seiner Umgebung die Idee suggerieren, die Verspätung seiner Gemahlin sei einer ebenso unvermuteten wie flüchtigen Unpäßlichkeit geschuldet.
Wie wir später durch Sully erfuhren, änderte der König jedoch seine Sprache, sowie er auf der Estrade war. Als dort nämlich Sully vor der Königin das Knie beugte, um den Saum ihres Kleides zu küssen, weigerte sich die Königin, ihm ihre Hand zum Kuß zu reichen, mit der Begründung, er habe ihr vor zwei Stunden den Arm so heruntergerissen, sie könne ihn nicht bewegen. Diese taktlose Erinnerung an einen Zwischenfall, den er lieber vergessen hätte, erzürnte den König derart, daß er ihr mit leiser, wütender Stimme ins Ohr sagte: »Ma dame , Ihr wäret jetzt, da ich zu Euch spreche, schon nicht mehr meine Frau, hätte Sully Euch die Hand nicht festgehalten! Und wenn Ihr den Arm tatsächlich nicht mehr bewegen könnt, so nicht wegen Sully, sondern wegen dieses schweren Diamantenarmbands, das meinen Staat ruinieren könnte. Wenn ich Euch ließe, Madame, Ihr würfet das Geld mit so vollen Händen zum Fenster hinaus, daß ein Königreich dafür nicht genügte! Ihr gebt Sully jetzt sofort Eure Hand, und lächelt, Madame, lächelt! Und seid versichert, wenn Ihr mir heute abend weiterhin böse Miene macht, erhaltet Ihr von mir keinen blanken Sou mehr bis zum Jahresende!« Die Drohung wirkte. Die Königin reichte Sully die Hand, dann setzte sie ein frostiges Lächeln auf. Der König lächelte seinerseits und trat lebhaft an den Rand der Estrade. Er hob beide Arme, um Stille zu gebieten, dann rief er mit fröhlicher Miene: »Gute Freunde, Ihre Gnädigste Majestät wünscht eine Sarabande zu tanzen, und ich habe die Ehre, den Ball mit ihr zu eröffnen. Bitte, schließt Euch mir bei den ersten Takten an!«
Bei meinem Tanzmeister hatte ich gelernt, daß die Sarabande – die ich in jener Nacht zum erstenmal öffentlich undmit wem sonst als mit Noémie de Sobol tanzte, die bei den ersten Geigenklängen auf mich zugelaufen kam –, daß also die Sarabande aus Spanien kam, wo sie jedoch nicht von einem Paar ausgeführt wurde, sondern stets nur von einer Frau, die ihre Hüftschwünge und Taillenverrenkungen mit zwei Kastagnetten rhythmisierte: ein lebhafter, sinnenfroher Tanz, dessen das gute spanische Volk sich in aller Unschuld freute, bis ihn eines Tages zufällig der Theologe Juan de Mariana sah, dadurch tief aufgewühlt wurde, den Tanz
urbi et orbi
als »pesti lenziell « verpönte und durch sein vieles Geschrei dessen Verbot bewirkte. Indessen starb die Sarabande nicht völlig aus, eine sehr gemilderte und weitaus langsamere Version davon gelangte an den französischen Hof, wo sie nun von Paaren gemessenen Schrittes getanzt wurde, die sich nicht groß von der Stelle rührten, doch mußten die Damen dabei den Oberkörper schwingen und wiegen, eine ferne Erinnerung an die wollüstigen Windungen der Ibererinnen.
In der französischen Version war es ein für den Kavalier offen gestanden wenig anstrengender Tanz, da er seine Dame weder führen noch drehen noch etwa in die Höhe heben mußte. Aus dem Grunde hatte meines Erachtens der König diesen Tanz auch gewählt, denn die Königin war schwer. Alles, was der Mann zu tun hatte, war, sich gegenüber seiner Tänzerin aufzustellen, ihre Schritte nachzuahmen und Aug in Auge mit ihr zu zeigen, daß die Bewegungen ihres Körpers tausend süße Gedanken in ihm erweckten.
Meine rotblonde Tänzerin hatte sich in dieser Hinsicht um so weniger über mich zu beklagen, als sie ja tief dekolletiert war, wie der Leser sich unfehlbar erinnern wird, so daß ich die Zwillingsbälle ihres Busens auf eine Weise hüpfen, auseinanderdriften und sich vereinigen sah, die mich wie nichts auf der Welt entzückte. Als der Tanz zu Ende war, fing Noémie de Sobol an, sich über mein unverblümtes Äugeln zu
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