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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gescheitert ist, konnte er seinen Erfolg nur kurz genießen, denn am Tag nach jenem Ball brach er mit Henri auf, Amienszurückzuerobern, und die junge Herzogin starb ein Jahr später in der Blüte ihrer Jahre an einer seltsamen, jähen Krankheit, die sie entstellte, so als wollte der Todesengel, bevor er ihr das Leben nahm, sie zuerst ihrer Schönheit berauben.«
    Auf dem Ball von Madame de Guise nun war der Konnetabel dreiundsiebzig, doch lasteten diese Jahre trotz ihrer hohen Anzahl kaum auf seinen breiten Schultern. Er war groß, hatte ein kantiges, rotes Gesicht und Augen ohne jeden Ausdruck. Als ich meinen Vater Jahre später fragte, ob der Konnetabel klug war, antwortete er lächelnd: »Das hat sich nie herausfinden lassen.«
    »Da haben wir also den neuen Chevalier!« sagte der Konnetabel mit dröhnender Stimme, sowie mein Vater mich vorgestellt hatte. »Mit fünfzehn Jahren Chevalier! Alle Wetter! Da muß der König Euch aber lieben! Und nicht ohne gute Gründe, nicht wahr«, fügte er etwas schwerfällig hinzu. »Ge schweige , daß Ihr ja schon sehr gelehrt sein sollt! Wahr und wahrhaftig, ich wünschte bloß, auch mein Henri fände mehr Geschmack am Studium! Aber je ähnlicher Charlotte ihrer seligen Mutter wird, desto mehr wird mein Sohn mein verpatztes Ebenbild! Nichts im Sinn mit einem Buch, er gähnt nur! Wenn er die Feder nimmt, liegt sie ihm schwerer in der Hand als ein Schwert! Das ist eben das Üble am Frieden, nicht wahr. Die Leute denken nur noch daran, zu lesen und Papier zu beschreiben. Zu meiner Zeit, Marquis, da wurde von einem Edelmann nicht soviel verlangt. Ihr und ich, nicht wahr«, sagte er, wobei er vergaß, daß mein Vater Doktor der Medizin war, »wenn unsereiner ein Sendschreiben lesen konnte, das einem der König schickte, und seine Unterschrift unter die Antwort setzen konnte, die man einem Schreiber diktiert hatte, dann war man gebildet genug! Aber heutzutage, nicht wahr, da ist es ja eine regelrechte Raserei mit dem Studieren. Jetzt fangen die Frauen auch schon damit an und wollen überall mitreden. Aber, Gott sei Dank, Chevalier«, fuhr er, an mich gewandt, fort, »habt Ihr nichts von einem Stockfisch, so gelehrt Ihr auch sein mögt. Ihr seid groß und kräftig. Ihr reitet gut, wette ich, und fechtet. Und tanzen könnt Ihr auch, verflixt!«
    »Einigermaßen, Monseigneur«, sagte ich mit einer Verneigung.
    »Was heißt, einigermaßen?« sagte der Konnetabel. »Ich habeEuch doch die Sarabande tanzen sehen, und besser als einigermaßen, mit dieser offenherzigen Jungfer. Alle Wetter, Marquis!« fuhr er, nun wieder zu meinem Vater sprechend, fort. »Ihr kennt mich, nicht wahr. Ich bin keiner von diesen sabbernden, krächzenden und hustenden Greisen, die ihre Gefühle verstecken. Als ich sah, wie diese freibusige Dirne sich verrenkte und mit den Flügeln schlug, da brodelte mir aber das Blut in den Adern. Hol der Teufel das Frauenzimmerchen! Bei so einem Anblick, da verliere ich das bißchen Religion, das ich noch hatte, nicht wahr. Na, kurz und gut, ich habe immer bloß sie angesehen, und um alles zu gestehen, ihre Brüstchen, die haben mir verdammt ins Auge gestochen!«
    Der Konnetabel redete mit so lauter Stimme, als ob er auf einem Schlachtfeld stünde, und da die Leute um uns die Ohren spitzten, beschloß mein Vater, auf anderes zu kommen, und fragte: »Und wie geht es Euren schönen Kindern, Monseigneur?«
    »Gut, gut, gut«, sagte der Konnetabel und warf, weil er nicht verstand, weshalb mein Vater das Thema wechselte, einen argwöhnischen Blick in die Runde.
    »Aber kommt doch mit«, fuhr er fort, »ich werde den Chevalier meinen Kindern vorstellen, nicht wahr. Henri ist erst zwölf, aber Charlotte ist schon vierzehn und wird überglücklich sein, mit dem Chevalier zu tanzen, zumal dies ihr erster Ball ist und sie erst nächstes Jahr offiziell am Hof vorgestellt werden wird.«
    Ich weiß nicht, ob Charlotte de Montmorency so überglücklich war, mich zu sehen. Vielleicht hatte sie sich für ihren ersten Tanz einen etwas erfahreneren Kavalier erträumt. Aber was mich angeht, ich war überwältigt. Nicht daß sie die Großartigkeit der Prinzessin von Conti oder das Pikante der Charlotte des Essarts gehabt hätte, nein, sie war das hübscheste Juwel von Frau, das ich jemals sah, das feinstgeschliffene, makellos in all seinen Facetten, und, wenn ich dies sagen darf, ohne jemanden zu verletzen, das allerweiblichste. Ihre goldenen Haare, ihre tiefblauen Augen, ihre Nase, ihre Lippen,

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