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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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weiblichenAnatomie zu lenken. Außerdem verlangt dieser Tanz von ihr, während sie in der Luft schwebt, mit den Füßen ein oder zwei Battements zu machen, und dadurch schürzen sich, Hand oder nicht Hand, unweigerlich ihre Röcke, und die Ehrbarkeit wird verletzt.
    Sowie Monsieur de Réchignevoisin die Volte ausgerufen hatte, stieg Bassompierre zur königlichen Estrade hinan und bat die Königin zum Tanz, indem er vor ihr niederkniete. Sie hob ihn auf, reichte ihm ihre Hand zum Kuß und begab sich unter großem Beifall ziemlich gutwillig mit ihm aufs Parkett. Doch während die Hände klatschten, wanderten aller Blicke, auch die meinen, zum Gesicht des Königs, denn jeder fragte sich, welches seine Wahl sein würde. Man brauchte nicht lange zu warten. Mit großen Schritten steuerte er auf Charlotte des Essarts zu. Also hatte sie den ersten Tanz und Bassompierre seine Wette gewonnen.
    Nun richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Comtesse de Moret, die, um ihren Ärger zu verbergen, lächelte, was sie nur konnte, und noch mehr lächelte, als Joinville auf sie zueilte, trotz eines wütenden Blicks von Madame de Guise, die in ihrem Zorn vielleicht noch Schlimmeres getan hätte, wenn nicht mein Vater in seiner üblichen Gewandtheit sie in diesem Augenblick zum Tanz aufgefordert hätte.
    Die Violinen stimmten an, und ein jeder Tänzer beschäftigte sich mit seiner Dame. Bassompierre fragte sich vermutlich, wie er die Königin hochheben sollte, der König lächelte voll Güte der kleinen Des Essarts zu, die, wie man sagte, seit drei Monaten die Frucht ihres königlichen Liebhabers im Leibe trug, und Joinville machte, ohne sich um die mütterlichen Blicke zu scheren, mit der Moret den Gecken, das Auge auf diesen Busen geheftet, den seine Mutter mißbilligte.
    Was mich angeht, so wähnte ich Tor mich im Paradies. Charlotte de Montmorency tanzte anmutiger und leichter als ein Reh, hielt den Takt, wechselte behende den Fuß, sowie ich sie in die andere Richtung drehte, und wenn der Sprung kam, flog sie – mit meiner Hilfe – höher als jede andere, schlug die Füße nicht nur einmal, nein, zweimal, dreimal aneinander und zeigte dabei sehr viel mehr als ihr Knie, ohne es scheinbar zu ahnen, da ihr Möschen doch so kindlich war und ihr unbefangenes Auge all die Blicke, die sie auf sich zog, gar nicht bemerkte.
    Wie unendlich stolz war ich, daß ich dieses Wunder tanzen machte. Doch daneben beunruhigte es mich mehr und mehr, daß sie während des ganzen langen Tanzes mich kein einziges Mal ansah, denn ihre unter schnellem Wimpernschlag scharfen Blicke glitten bald hierhin, bald dorthin, und das besonders, wenn der König in ihre Reichweite kam. Das ging immer so fort, und noch bevor der Tanz endete, begann ich zu ahnen, daß ich nur das naive Werkzeug ihrer Glorie gewesen war: was sie leider mit äußerster Grausamkeit bestätigte, als sie von mir ging, nachdem die Geigen verstummt waren. Mit gerümpften Brauen und Lippen neigte sie knapp den Kopf und sagte mit ziemlich lauter Stimme, damit man sie im Umkreis hörte: »Ich danke Euch für den Tanz, Monsieur. Aber kommt nicht noch einmal!«
    Und sie wandte mir mit scheinbar gereiztem Reifrockschwung die Absätze zu, ließ mich sprachlos, verletzt, tief gekränkt und, sowie ich mich wieder gefaßt hatte, kochend vor Entrüstung stehen. Die Sache war nur zu klar. Allen Tadel und Vorwurf für das kleine Manöver, das sie veranstaltet hatte, huckte sie mir auf den Rücken.
    Da nun gewahrte ich, wie Madame de Guise mir aus einiger Entfernung zornschwere Blicke zuwarf und daß sie sich gewiß mit allen Krallen auf mich gestürzt hätte, wenn mein Vater ihre Hand nicht festgehalten hätte, ganz diskret zwar, da er sie dicht an ihrem Körper in ihre Rockfalten streckte. Augenblicks war mein Entschluß gefaßt. Mit erhobener Stirn ging ich auf meine Patin zu und sagte, nachdem ich ihr meine Reverenz erwiesen hatte, in festem Ton: »Madame, ich bitte Euch tausendmal um Vergebung für eine Unziemlichkeit, an der ich ungewollt teilhatte. Mein einziges Vergehen ist, daß ich es an Urteil fehlen ließ. Ich bin in eine Falle geraten. Mehr darf ich nicht sagen.«
    Mir war natürlich klar, daß diese letzten Worte meine Verteidigung zunichte machten, aber töricht wie ich war, hielt ich mich noch an das Geheimnis, das ich der Verräterin versprochen hatte.
    »Monsieur«, sagte Madame de Guise höchst aufgebracht, aber leise zwischen den Zähnen, »zum Teufel, wenn ich verstehe, was Ihr mit Eurer

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