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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Spitzfindigkeit sagen wollt! Ich habe gesehen, was ich gesehen habe. Und ich bin außer mir!In meinem Hause, auf meinem Ball, an meinem Geburtstag! Ich kann nicht glauben, daß Ihr mein Blut seid. Ihr entehrt es.«
    »Halt, halt, Madame!« sagte mein Vater, »das geht zu weit!«
    Und während er sprach, stellte er sich zwischen uns, gewiß weil er befürchtete, daß sie sich vergreifen und mich schlagen könnte, so sehr schüttelte sie der Zorn.
    »Herr mein Gott!« fuhr sie fort, »wie konntet Ihr die Stirn haben, Monsieur, vor versammeltem Hof eine so grobe Unzüchtigkeit zu begehen und eine Jungfer aus großem Hause zu behandeln wie die letzte ›Nichte‹ von Monsieur de Bassompierre.«
    Diese kleine Perfidie zielte so offensichtlich auf Toinon, daß ich nicht umhin konnte, die Brauen zu runzeln.
    »Und obendrein«, fuhr sie fort, nun mit einem neuen Wutanfall, »kommt Ihr mir auch noch trotzig! Ihr seid ein Lümmel! Geht! Geht! Ich hatte sehr unrecht, Euch zu meinem Ball einzuladen! Ihr verdient meine Güte nicht! Ihr seid ein unzüchtiger Lümmel, Monsieur! Und ohne meine Freundschaft zu Eurem Vater würde ich Euch auf der Stelle aus meinem Haus jagen und mir aus den Augen.«
    »Ihr würdet mit gleichem Aufwasch mich verjagen«, sagte mein Vater in sehr dürrem Ton, mit sehr leiser Stimme.
    Nachdem er sein unbezähmbares Tier derweise die Zaumstange hatte spüren lassen, ließ er den Zügel sacht wieder locker.
    »Und ich wäre verzweifelt, Madame, denn ich liebe Euch, und mein Sohn liebt Euch auch.«
    Madame de Guise war derart überrascht, sowohl durch den Zaum wie durch die Liebkosung, daß sie stumm blieb. Und mein Vater benutzte die Stille für den Versuch, eine Unze Vernunft in den tosenden Ozean zu werfen.
    »Madame«, fuhr er fort, »es mag Euch überraschen, aber ich halte das Mädchen für ebenso schuldig in der Sache wie Euren Patensohn, wenn nicht mehr. Ich frage Euch: wen würde man überzeugen, daß sie an diesen unerhörten Sprüngen nicht beteiligt war? Und wer, sagt mir, hat sie gezwungen, in der Luft all diese Battements zu machen, deren einzige Wirkung es war, ihren Unterrock immer höher zu schürzen! Wissen wir beide nicht außerdem, wie schwer es fällt, eine Tänzerin vom Boden zu heben, die nicht gleichzeitig von sich aus springt? Und hätte das Frauenzimmer sich schamvolldagegen verwahrt, so hoch zu fliegen, warum verharrte sie dann nicht untätig in ihrer Schwere, wie es die Prüden auf Eurem Ball tun? So leicht die Marquise de Rambouillet auch sein mag, wer könnte sich rühmen, sie jemals höher gehoben zu haben als wenige Daumen über dem Boden? Und wer hätte je auch nur ihre Knöchel gesehen?«
    »Aber, warum verteidigt sich Pierre nicht selbst, anstatt dazustehen und mir die Stirn zu bieten?« sagte Madame de Guise in einem mehr klagenden als zornigen Ton, da sie für die Argumente meines Vaters nicht unempfindlich war.
    »Madame«, sagte ich, indem ich ihre Hand ergriff und sie mit Küssen bedeckte, »ich bin kein Lümmel und auch nicht unzüchtig, und ich liebe Euch. Aber was könnte ich hinzufügen? Mein Vater hat alles gesagt, alles erraten, auch daß ich nicht anders konnte als zu schweigen, da ich Geheimhaltung versprochen hatte. Dieses Mädchen hat sich meiner bedient, und als ihr Spielchen gespielt war, hat sie mich in die äußerste Finsternis verstoßen. Nach den Blicken zu urteilen, die sie hierhin und dorthin warf, während sie in der Luft schwebte, jagt diese Diana ein weit größeres Wild, als ich es bin.«
    »Was für ein Wild?« fragte Madame de Guise verdutzt.
    Und als ich schwieg, weil ich nicht zum Ankläger werden wollte, übernahm mein Vater wieder den Würfel.
    »Madame«, sagte er, »Ihr seid zu gutherzig. Ihr habt Euch durch ihre unbefangene Miene täuschen lassen. Tatsächlich hat die Schelmin insgeheim mehr als einem schöne Augen gemacht, dem König, Bassompierre, Bellegarde, dem Herzog von Épernon ...«
    »Womöglich auch Euch«, sagte die Herzogin, und das Lavendelblau ihrer Augen wurde allein bei diesem Gedanken schwarz.
    »Oh, Madame«, sagte mein Vater, »ich bin nicht hoch genug im Staate, um das Äugeln dieses Püppchens zu verdienen. Sie macht es nicht unter einem Prinzen oder einem Herzog, da dürft Ihr sicher sein.«
    »Alles gut und schön«, sagte Madame de Guise, »aber es gab einen Skandal, und auf meinem Ball! Das ist eine erwiesene Tatsache. Und die Zungen nehmen ihren Lauf.«
    »Laßt sie ihren Lauf nehmen! Der führt nie weit, und

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