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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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seiner Bimmel.
    Heiko hielt Vollgas. Und Kurs.
    »Äh, Heiko, da-das geht nicht. De-de-der kann keinen Platz machen. Da-da-das Ding fährt auf Schie-Schie-Schie-Schienen!« Da haben wir's, dachte ich. Wie Kryszinski zum Stotterer geworden ist.
    Weißer Staub stieg auf, als der Straßenbahnfahrer eine Notbremsung mit Sand einleitete.
    Heiko hielt Vollgas.
    »Platz da!«, brüllte er, und ich erinnerte mich, dass er schon vor der Haft nicht ganz echt gewesen war, in der Runkel. Manche zerstrahlt's im Kahn dann ja endgültig.
    Der Straßenbahnfahrer stand auf seiner Bremse, und ich konnte das Entsetzen in seinen aufgerissenen Augen sehen, und seine Bimmel schrillte mir in den Ohren, als Heiko endlich auswich. Nach links. Und lachte.
    »Willst du lieber ans Steuer?«, fragte er, bei, unnötig zu erwähnen, weiterhin Vollgas. Ich nickte wie jemand, dem man mit einer Rüttelplatte über die Füße fährt.
    »Nein, Heiko, lass ihn nicht«, kam es, plötzlich alarmiert, vom Rücksitz. »Wenn Kristof es eilig hat, fährt er wie ein Verrückter!«
    Manche Wintertage wollen nicht hell werden, und dies war einer davon. Die roten und weißen Randlichter des Rollfeldes hoben sich mit in den Augen schmerzender Helligkeit gegen das sie umgebende Grau ab.
    »Hunde?«, fragte Heiko. Er hatte etwas Tempo rausgenommen, jetzt, kurz vor dem Ziel, und ich hatte meine Atmung wiederentdeckt. »Wie viele?«
    »Zu viele«, antwortete ich und dachte an Matto, den schwarzen Mähnenwolf mit seinem Maulkorb. Der allein war mir schon einer zuviel.
    »Waffen?«
    »Bestimmt.« Man baut sich kein Fort, weil man feindliche Übergriffe erwartet, und setzt sich dann rein mit ein paar Wasserpistolen, Flitzebogen und Gummimessern.
    »Also, was ist der Plan?«
    »Tja«, machte ich. Ich hatte keinen. »Alles hängt im Grunde davon ab, ob sie uns erwarten. Wenn sie das Tor geschlossen haben und die Ausgucke besetzt, sehe ich für uns praktisch keine Chance. Dann müssen wir zurück, die Jungs zusammentrommeln, (was von ihnen übrig ist, dachte ich, wenig optimistisch) und in der Nacht wiederkommen. Oder«, fügte ich vorsichtig hinzu, »die Bullen alarmieren.«
    »Die was?!« Um Haaresbreite, mehr nicht, und wir hätten eine auf der Welt einzigartige Hinweistafel (>Flughafenrestaurant Plati. 400 m zurück<) geplättet, so sehr verriss Heiko das Lenkrad bei meinem Vorschlag. »Die was? Sag das noch mal!«
    Doch ich traute mich nicht. Man braucht kein Psychopath zu sein, um nach fünf Jahren unter der Obhut der Staatsgewalt gewisse Ressentiments gegen dieselbe entwickelt zu haben; und Heiko Zimmermann, muss man wissen, ist Psychopath.
    »Wie sieht das aus?« Unser Fahrer klopfte sich keuchend Staub von den Händen und Zweige von den Schultern. Wir hatten beschlossen, uns erst mal zu Fuß heranzupirschen an das Vereinsgelände >Eiserner Kopf<, und um den in einem Seitenweg abgestellten Wagen vor Blicken zu tarnen, hatten die beiden mich begleitenden Genies einen großen, immergrünen Busch (mit Nadeln dran. Sorry, aber mit Botanik habe ich es nicht so) aus der Erde gerupft und vor den Kühler gezerrt.
    Und genau so sah es aus: Als ob jemand einen großen Busch ausgerupft und vor ein Auto gezerrt hätte. Zur Tarnung.
    Ich fasste meinen Eindruck in Worte. Und die mich begleitenden Genies fassten ihre Kritikfähigkeit in Blicke. Um es kurz zu machen: Eigentlich hätte von mir nichts übrigbleiben dürfen als ein Paar rauchender Basketballschuhe.
    »Na gut!« Mit sichtlich geschwollenem Hals zerrte Heiko den Busch wieder aus dem Weg und wuchtete ihn zurück an seinen Platz. »Änderung des Plans!«
    Und mein Magen kontrahierte wie ein angepiekster Luftballon. Schon die Art, wie er die Worte hervorstieß, ließ mich bitterlich bereuen, Heikos Bemühungen zur Fahrzeugtarnung auch nur ansatzweise, ja nur gedanklich in Zweifel gezogen zu haben.
    Mit ein paar langen Schritten war er beim Kofferraum und riss den Deckel in die Höhe. »Neue Taktik: Sturmangriff!« Und keine drei Sekunden später stand ich da, blickte, wie Scuzzi, vollkommen perplex hinunter auf die Pumpgun in meinen Händen und wusste plötzlich aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, einem Himmelfahrtskommando anzugehören.
    »Äh«, machte ich und dachte dabei, ich muss mit diesen >Ähs< aufhören, das wirkt dämlich, »äh«, entrang es sich mir trotzdem noch mal, »ich dachte, du verachtest Waffen?«
    Heiko schloss den Kofferraumdeckel mit einem soliden Geräusch und sah ausdruckslos von mir zu

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