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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Scuzzi und wieder zurück.
    »Ich brauch auch keine«, stellte er fest. »Aber wenn wir gleich da rein gehen, und ich nicht die ganze Zeit eure Amme spielen will, ist es besser, wenn ihr Clowns was in Händen habt. So«, meinte er, kam rüber, stellte sich zwischen uns und packte uns im Genick wie ein Lehrer zwei aufsässige Jungs, »hört mir gut zu. Die Dinger sind geladen. Eine Patrone im Rohr, sechs Schuss im Magazin. Feuern, dann den geriffelten Griff unter dem Lauf einmal energisch von vorne nach hinten ziehen, wie die Vorhaut vom Lümmel, und die nächste Patrone ist drin. Kapiert?« Wir nickten. Die beschriebene Handbewegung war uns wohl vertraut. »Und jetzt passt wirklich auf: Ihr könnt mit den Dingern zielen, wohin ihr wollt. Aber sollte einer von euch mit der Mündung auch nur in die Nähe meiner Figur kommen, breche ich ihm das Genick!« Und damit schüttelte er uns noch mal durch und brachte mich nahe daran, auf ihn anzulegen. Und abzudrücken.
    Das Tor stand offen. Sie schienen sich also sicher zu fühlen. Auch als wir in ruhigem Tempo darauf zu rollten, war kein Zeichen von Alarm auszumachen.
    Seltsam, dachte ich. Dass Heikos Haftentlassung sich binnen 24 Stunden noch nicht herumgesprochen hatte, war nicht so verwunderlich. Aber wieso hatte Nagold kein Signal durchgegeben, die Augen offen zu halten nach einem fetten, silbergrauen Benz? Und sei es nur für alle Fälle? Hielt er sich für so toll oder andersrum mich für so dämlich, dass er sich solche Sicherheitsvorkehrungen meinte schenken zu können?
    Irgendetwas stimmte, irgendetwas passte hier nicht zusammen.
    Genauso Wolf: Ich hatte ihn zweimal befragt, und er war entweder der beste Lügner, dem ich bis dahin begegnet war, oder er hatte tatsächlich keine Ahnung von Willys Verbleib gehabt. Und auch meine fast zwölfstündige Observation des Geländes hatte kein Anzeichen ergeben, dass unser Freund hier gefangen gehalten wurde. Waren wir auf der falschen Fährte? Gleichzeitig hatte ich nicht den geringsten Zweifel, dass es Nagold gewesen war, der mir die Kühlbox mit dem Lösegeld abgenommen hatte. Das war alles sehr verwirrend.
    Unbeleckt von irgendwelchen Bedenken und, wie mir aufging, auch mit einer ganz anderen Intention als ich hielt Heiko auf die Toröffnung zu, und die beiden Wachen verteilten sich nach links und rechts, um uns in Empfang zu nehmen. Wir stoppten, ließen die Scheiben heruntersurren, und Scuzzi und ich zielten jeder, Gewehre im Schoß, auf den Bauch eines verdutzten Wachmannes.
    »Gaanz ruhig«, sprach Heiko die beiden an. »Kein Wort, keine falsche Bewegung, und euch wird nichts passieren.«
    Wie selbstverständlich stieg er aus, nahm den Wachmann auf der Fahrerseite, einen nickelbebrillten Jüngling, der das alles für eine Art von Scherz zu halten schien, beim Genick, wie gerade noch Scuzzi und mich, führte ihn rüber zu seinem Kollegen, der schon etwas älter und augenscheinlich für die Rolle des >Küchenbullen< gecastet worden war, packte auch den beim Nacken und schlug noch im selben Augenblick beide, mit einem ekelhaften Geräusch, das ich nur als ein feucht schmatzendes Knirschen bezeichnen kann, mit den teilrasierten Schädeln zusammen. Nickelbrille und Küchenbulle verdrehten simultan die Augen und glitten aus Heikos Händen wie Seidentücher aus denen eines Zauberkünstlers.
    Damit waren wir drin.
    Einfach, dachte ich. Jetzt müssen wir nur noch lebend wieder rauskommen.
    Blendläden und Türe der >Haselnuss< waren geschlossen, was dem Lokal einen verrammelten Ausdruck verlieh. Heiko schwenkte den Wagen auf dem Parkplatz davor herum, bis die Nase wieder auf das Tor und die beiden zusammengesunkenen Gestalten zeigte, und machte den Motor aus. Hinter der Kneipe konnte man zahlreiche Hunde jaulen hören. Ansonsten war alles ruhig. Was, unter bestimmten Umständen, oft belastender auf einen wirkt als ein lärmendes Tohuwabohu, auf das man reagieren, in das man sich hineinstürzen kann, das einfach da ist, Gegenwart. Lastende Ruhe hat immer diesen Beigeschmack einer absolut Ungewissen Zukunft.
    »So, wir gehen jetzt da rein«, entschied Heiko auf seine besonnene, um Konsens bemühte Art.
    Wir stiegen aus. Mich fröstelte. Von praktisch allen Seiten umgab uns die konfuse Bebauung mit Schuppen und Unterständen, und das trübe Licht machte den Gesamteindruck nicht vertrauenerweckender.
    Unser Anführer besah sich das Vereinsgebäude mit dem routinierten Blick des Abbruchunternehmers, der er mal gewesen war. Es hätte

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