Der Willy ist weg
Stahltür ohne Griff, von dieser Seite. Sie sah aus wie ein großes Lüftungsblech, Grund, wenn auch nicht Entschuldigung dafür, dass ich sie einfach nicht wahrgenommen hatte. Ich presste mein Ohr dagegen und hörte, so schwer es auch fällt, das zuzugeben, sich entfernendes Gelächter.
Heiko bremste sich neben mich, dass der Daimler knirschend mit dem Kinn aufsetzte.
»Scheiße!«, brüllte er. »Steig ein!« Was ich tat.
»Was«, fragte ich.
»Wohin jetzt?!«, brüllte er und latschte aufs Gas, riss die riesige Limousine nach links, die Abfahrtrampe hinunter.
»Was«, fragte ich.
»Wohin, Mann? Gib mir eine Richtung!« Der Vorderwagen hob ab, als wir, mit gewaltiger Seitenneigung, die nächste Rampe in Angriff nahmen, dann setzten die Räder wieder auf, die Haube tauchte ein, und die Hinterachse war an der Reihe mit Luftsprung. Jeder hätte jetzt gebremst, ging es doch sofort wieder scharf linksrum, doch Heiko schien die Gesetze der Physik allein mittels seiner beiden Pranken am Lenkrad außer Kraft setzen zu können.
»Was«, brachte ich meine Frage jetzt doch noch an den Mann, »was hat er mir da an den Hals gehalten?« Alles andere schien mir im Moment ohne Belang, zweitrangig.
»Trommelrevolver«, übergrunzte es vom Fahrersitz her das erbärmliche Jaulen der Reifen, und ich fühlte mich, warum auch immer, besser. »Ostblock-Armeeausführung, wenn ich raten müsste. Riesending. Völlig blödsinnig. So, wie du dastandst, hätte er dir nur von hinten in die Eier treten müssen.«
Heiko, muss man dazu wissen, hält nicht viel von Feuerwaffen. Sie sind für ihn das Aushängeschild von Leuten, die sich anders nicht durchsetzen können. Was für Wirbellose, für Weicheier.
»Würdest du ihn wiedererkennen?«
»N-nh. Maske überm Kopp. Overall an. Das Übliche.«
Und es war auch gar nicht nötig, ging mir plötzlich auf. Überhaupt nicht. Das Wiedererkennen, meine ich. Ich wusste, wer der Typ hinter mir gewesen war. Verwechslung unmöglich. Es überkam mich wie . wie.
»Also, nun sag schon, wohin?« Heiko stoppte brutal und griff hinter sich, um die Türe für Scuzzi aufzustoßen, der uns die Schranke offen gehalten hatte.
»Hoch, zum Flughafen«, sagte ich.
Das >Uuund Hopp!<, das war es gewesen. »Die Eierköppe haben Willy.«
Mein Anfangsverdacht. Sag ich's doch! >Uuund Hopp<-Rekrutenschinder Nagold.
»Ha!«, machte Heiko und katapultierte den Wagen aus dem Stand auf Hundert, »wie sich das trifft!«
Heiko hielt Vollgas. Er verwuchs mit dem Auto zu 6,9 Litern und zweieinhalb Tonnen schierer, entfesselter Bösartigkeit. Ampeln, Zebrastreifen, Stoppschilder, Durchfahrtsverbote, die Masse der anderen Verkehrsteilnehmer schien nur dazu da zu sein, ihn weiter zu reizen.
Dies war ein Rennen gegen die Zeit, es war gut möglich, dass Willys Leben daran hing, doch ich hänge auch an meinem, also sagte ich: »Äh, Heiko, denk dran, du bist frisch aus der Haft entlassen.«
Heiko hielt Vollgas.
»Und?«, knurrte er, an einer wippenden Rheno vorbei.
»Anders als manche«, meinte er und schenkte mir einen entnervend langen Seitenblick, während ich, völlig überflüssigerweise, den Verkehr im Auge behielt, »habe ich keine Bewährung mehr offen.«
»Du hast die komplette Strafe abgesessen?«, fragte Scuzzi interessiert von hinten, während ich »D-d-d!« machte und panisch die Luft trat, wo bei einem rechtsgelenkten Auto das Bremspedal gewesen wäre, weil vor uns ein UPS-Lieferwagen rücklings aus einer Einfahrt herauskam.
Heiko hielt Vollgas. Hupte nur.
»Jeden einzelnen gottverdammten Tag«, knurrte er, sorgsam jede Silbe betonend, und Wolfs Haut wurde die zweite, nach meiner, in diesem brüllenden, schlingernden, rasenden Ungetüm, in der ich an diesem Tag nicht stecken wollte. Und Willys, natürlich. Doch für ihn gab es Hoffnung. Bei mir war ich mir, in diesem Augenblick, nicht so sicher.
Wir tobten die Zeppelinstraße hoch, und unser Fahrer eröffnete eine dritte Spur links von den beiden vorhandenen.
»Äh, Heiko«, sagte ich, klammerte mich mit einer Hand an den Türgriff und stützte die andere gegen das Armaturenbrett, »da-das sieht mir aus wie eine Straßenbahn, was uns da-da entgegenkommt.« Fünfzig Tonnen, habe ich irgendwo gelesen, wiegen die Dinger. Leer.
Heiko hielt Vollgas.
»Soll sich aus dem Weg scheren!«, bellte er und nahm den Kopf angriffslustig zwischen die Schultern.
Der Straßenbahnfahrer gestikulierte, blendete seinen einsamen Rundscheinwerfer auf, bimmelte vehement mit
Weitere Kostenlose Bücher