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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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ein T-Shirt anzuhaben. Es war warm in Mendens Büro. Auch wenn mein Kopf kühl blieb, als rage er in die Wolken.
    »Sie sind doch der Halter eines hellgelben VW-Transporters?«, kam es unvermittelt, wenn auch nicht unerwartet. Roth-Bichler hatte also mit den Bullen gesprochen. Wie geahnt.
    »War«, korrigierte ich ihn.
    Mendens Brauen hoben sich eine Nuance, er sortierte rasch noch mal die Papiere vor sich auf dem Tisch, bis er das Blatt fand, das er suchte, er sah hinein, dann zu mir auf und forderte: »Erklären Sie mir das näher.«
    Hm. »Hier, snief das«, hatte Scuzzi zu mir gesagt.
    »Macht dir die Nase frei und einen kühlen Kopf.«
    »Hab ich verschrottet. Vor ein paar Tagen.«
    »Das Straßenverkehrsamt behauptet etwas anderes.«
    Ich zuckte die Achseln. Manche Leute sabbeln auf Koka ja unablässig, schnattern in einem fort. Bei mir bewirkt es eher eine Maulsperre. Und anstatt mich aufzudrehen, bringt es mich runter. Ich werde cool davon. Ganz cool, fast schon gleichgültig.
    Menden brauchte kein Koka. Zumindest nicht für extra Coolness. Er sah mich ausdruckslos an. Abwartend.
    »Warten Sie«, rang ich mir schließlich ab. »Möglich, dass ich's hier irgendwo habe.« Und ich ging durch meine Taschen, bis ich fand, was ich suchte, und es ihm über den Schreibtisch reichte. Es war ein Kaufvertrag, eine Woche alt. Wenn man bereit war, dem angegebenen Datum Glauben zu schenken. Oder sonst irgendetwas, das Ata Rieses Unterschrift trug.
    Der Kommissar überflog den Text, stand dann auf, sagte: »Ich kopier mir das eben«, und ging aus dem Raum.
    Ich atmete einmal durch und dachte gerade: So, die Hürde hätten wir, da kam er schon wieder zurück, und mein Innerstes machte, aller angesnieften Coolness zum Trotz, einen kleinen Hopser. Denn er kam in Gesellschaft.
    »Sehen Sie ihn sich genau an«, forderte Menden. »Kommt er Ihnen bekannt vor?«
    »Da brauch ich gar nicht groß kucken«, entgegnete Kommissar Baer, und eine Stange Camel >ohne< kreuzte den Pfad meines Denkens, während eine hohle Stimme zwischen meinen Ohren es passend fand, mir einen Zeitraum von insgesamt vierzehn Monaten in Erinnerung zu rufen. »Die Visage würde ich überall wiedererkennen. Dafür habe ich ein fotografisches Gedächtnis.«
    »Ich werde den guten Yogi doch nicht unterschätzt haben?«, fragte ich mich.
    »Und?«
    »Das ist der Rocker, den wir vor sieben, acht Jahren mal wegen Mopeddiebstahls drangekriegt haben. Kaum verändert, seit damals. Hat sich dann vor Gericht mit einem Haufen dreister Lügen wieder so gut wie herauslaviert. Zwei Monate Jugendstrafe, meine ich. Und die auch noch zur Bewährung.« Er grunzte ein auf eine viel sagende Art kritisches Grunzen.
    Die Erwähnung der Bewährung kam nicht so gut an, bei mir.
    »Ich meinte etwas anderes. Kommt er Ihnen sonst woher bekannt vor?«
    Baer begaffte mich kritisch, schob die Unterlippe vor, schüttelte den Kopf.
    »Sind Sie sicher?« Baer nickte. Ich hätte ihn küssen können. Und Schwamm drüber über die alten Geschichten, dachte ich.
    Wem das gar nicht schmeckte, war Menden. Er nahm Baer mit nach nebenan, wo ich sie durch das dicke Glas hindurch streiten sehen, aber nicht hören konnte.
    Menden gestikulierte, er, Baer, solle gefälligst noch mal genauer hinschauen.
    Baer blickte genervt zu mir. Er schüttelte den Kopf. Bockig, jetzt. Sprach. Hielt die flache Hand vor sich auf eine Höhe deutlich geringer als die meines Scheitels. Menden wies ihn auf die Absätze meiner Stiefel hin. Baer wischte das beiseite. Brauchte beide Hände, um Schultern anzuzeigen, die um einiges schmaler als die meinen waren. Deutete Glubschaugen an, einen dicken Zinken von Nase, nahm seinen Unterkiefer zurück und entblößte in wenig vorteilhafter Weise seine Schneidezähne. Mimte jemanden, der mit eingezogenem Hals herumeiert wie Otto Waalkes, und nicht mit durchgedrücktem Kreuz dasteht, gerade wie Pothmanns Eiche, cool bis ans Herz hinan. Schließlich schüttelte er noch mal den drahthaarigen, dicken Kopf und trollte sich.
    »Sie können gehen«, sagte Menden, als er wieder reinkam. Mehr nicht.
    Zu Hause gab ich Poppel seine Stiefel zurück, Schisser seine Einlagen, Deliah ihre Schulterpolster. Das Koks war verflogen, und all die Dinge, die Menden nicht gesagt hatte, fuhren Skateboard in der Halfpipe meiner Schädelbasis.
    »Warum machen die so was?«, fragte Charly. Vor ihm auf dem Tisch stand eine milchig-transparente Tupperdose voll Spiritus, in der ein Finger und ein Ohr

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