Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
rechtwinkligen und alles in allem - wie soll ich sagen? - leicht abgegriffenen Wohnwagen.
    »Trotzdem könntest du sie ab und zu mal baden.« Ich erinnerte mich, dass Rolls einmal silbergrau und Royce früher ein schwarzweißer Schecke gewesen war. Mittlerweile hatten sie die gleiche Farbe wie die Flecken, die sich auf dem Asphalt bildeten, wo immer ich meine XS parkte.
    »Wozu? Werden ja eh wieder dreckig.«
    Eine Maxime, die Ata, nebenbei bemerkt, nicht nur bei seinen Hunden zur Anwendung brachte, sondern auch vollen Herzens auf seine eigene Person übertragen hatte. Böse Zungen behaupteten, man könne ihn eine Woche in Bitumen marinieren, und beim Rausziehen sei mit bloßem Auge kein Unterschied zu vorher feststellbar. »Doch was willst du eigentlich von mir, mitten in der Nacht?«
    »Ich bin geschäftlich hier«, sagte ich.
    »Kaufen oder verkaufen?«
    »Letzteres.«
    Man kann nicht in das Haus eines Pedanten einbrechen, ohne dass der das merkt. Das war es, was mir seit gestern Abend keine Ruhe ließ. Poppel und ich hatten uns alle Mühe gegeben, keine Spuren zu hinterlassen, doch es würde nicht genügen.
    Ich lag mit offenen Augen im Bett und draußen graute der Morgen.
    Irgendeine Tür ist zu, die immer offen stehen muss, damit eine bestimmte Topfpflanze Luft bekommt, der Telefonhörer liegt falschrum auf der Gabel, die Haustür -ich hatte die Haustür nicht wieder zweimal abgeschlossen! Wenn Schwitzen wirklich gut wäre gegen Erkältungskrankheiten, hätte ich mittlerweile eigentlich keinerlei Symptome mehr zeigen dürfen.
    War das Misstrauen erst mal geweckt, würden sich andere Spuren finden.
    Dann ein Anruf bei den Nachbarn - Antennenbauer? Was für Antennenbauer? - 110!
    >Ein gelblicher VW-Transporter, sagen Sie? Haben Sie zufällig das Kennzeichen? Nein? Na, nicht schlimm. Mir kommt da ein Gedanke.<
    Menden, dachte ich. Menden. Mülheim ist ein Dorf, und wenn sich ein mysteriöser, aufwendig eingefädelter Einbruch ereignete, bei dem dem ersten Augenschein nach nichts gestohlen wurde, würde er davon erfahren, und wenn dann im Gespräch der gelbliche Transporter erwähnt werden sollte, meinte ich schon hören zu können, wie es >Ping< bei ihm machte.
    Unfähig, in den ersehnten Schlaf zu driften, stand ich auf und schlurfte in die Küche.
    Charly schlief bei brennendem Licht, im Sitzen, den Kopf auf den Armen, die Arme auf seinen Listen.

Kapitel 6
    Der Umschlag war in Luxemburg abgestempelt, diesmal, und mit Schreibmaschine an mich adressiert. Er enthielt kein Polaroid, keine Drohungen, Forderungen, Anweisungen zur Lösegeldübergabe, nichts dergleichen.
    Alles, was er enthielt, war ein Ohr.
    Ein linkes menschliches Ohr, dessen zackige Schnittkante auf die Verwendung eines Brotmessers mit Wellenschliff schließen ließ.
    Allmählich machte sich so was wie Entsetzen breit. Wir hatten es mit Bestien zu tun. Und immer noch kein Wort, kein Anruf von diesen Schweinen.
    Dafür von Ragobert. Die erwarteten fetten Vorwürfe wegen des Verlustes der Aufblasfigur. Ich ließ ihn eine Weile meckern und konterte dann damit, wie nahe dran wir gekommen waren, bevor ich mir eine Entschuldigung abrang dafür, den Gegner unterschätzt zu haben, verteilte die Schuld aber im gleichen Atemzug auch noch auf ihn und seine Leute, die schließlich die ausgetauschte Gasflasche nicht bemerkt hatten. Er akzeptierte das, grunzend, und wollte dann mit mir Maßnahmen zur unauffälligen Sicherung des Restaurants besprechen. Wir machten ein Treffen später am Tag aus.
    Ich fühlte mich etwas schmierig, als ich zum Abschied sagte: »Was mich nicht verwundern würde, wäre, wenn jetzt, kurz vor knapp, noch ein Erpresserbrief bei Ihnen einginge.«
    Oi, das würde ihn auch nicht weiter überraschen. Nichts, meinte er, könne ihn jetzt noch überraschen. Wir hängten ein.
    Schmierig deshalb, weil ich Edwin Knauff auf eine Art mochte. Und auch, weil ich mich für im Grunde loyal halte. Nur gibt es eben auch bei moralischen Fragen wie der nach der persönlichen Loyalität eine Staffelung nach Wichtigkeit. Und Willy ging eindeutig vor. Ich musste mir einfach eine Hintertür offen lassen, falls der Deal mit dem Schweden platzen sollte. Schmierig hin, schmierig her.
    Während in der Küche über die Luxemburger Marke gerätselt wurde, schleppte ich mich auf mein Zimmer, um einen Erpresserbrief über eine Million Mark zu entwerfen. Das Gefühl, mich damit unter Umständen tief in die Scheiße zu reiten, war übermächtig.
    Um elf kam der Anruf,

Weitere Kostenlose Bücher