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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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schwammen.
    »Druck«, meinte Schisser. »Sie wollen uns unter größtmöglichen Druck setzen. Und sie haben Erfolg damit.«
    Nicht von der Hand zu weisen, was er sagte. Alle in der Küche wirkten schlaflos, rastlos, ratlos.
    Männer unter Druck.
    Poppel war heute nicht dabei. Er hatte eine Bekannte in Duisburg, und zu der hatte ich ihn geschickt. Besser, er hielt sich für ein paar Tage vom Fuckers' Place fern, bis diese Roth-Bichler-Geschichte etwas abgekühlt war. Wenn sie abkühlte. Noch, so sagte mir mein Instinkt, hatte der gute Notar gar nicht gemerkt, dass sein Safe keine Rückwand mehr besaß. Für ihn musste es so wirken, als hätten wir es über das Schloss versucht und wären gescheitert.
    »Was machen wir mit den . Sachen?«, fragte Charly. Wir hatten abgesprochen, Schauplatz und Ergebnis des Einbruchs im kleinsten Kreis zu halten. »Können wir die Brocken überhaupt in Geld umwandeln? Wo hast du sie, nebenbei?«
    »Sie sind sicher«, sagte ich, als das Telefon in der Halle schellte.
    Mit dem mittlerweile üblichen Gruiik aus meiner Magengegend ging ich hin und hob ab.
    Es war Lazio Cinosil. Besser bekannt als »Der Schwede«.
    Ich sagte: »Das muss Telepathie gewesen sein.«
    Ein schwaches »Tsk« am anderen Ende deutete an, dass mein Gesprächspartner mit Esoterik nicht viel am Hut hatte.
    »Sie haben die Sachen«, stellte er fest.
    Was sollte ich dazu sagen? Noch dazu am Telefon? Dass der eigene Apparat abgehört werden könnte, erscheint einem exakt so lange unwahrscheinlich, bis einen der nächste Satz direkt vor den Haftrichter führen kann.
    »Tja, äh«, improvisierte ich, »mal angenommen .«
    »Heute Abend, gegen zwanzig Uhr bei mir.« Knacks Tuuuuhuuuuut.
    »Stellen Sie augenblicklich eine Million D-Mark in kleinen und gebrauchten Scheinen bereit und warten Sie auf weitere Anweisungen oder die McDagobert's-Eröffnungsparty endet in einem Blutbad.«
    Im Grunde war das nur logisch. Eine Serie von Anschlägen, ohne einen einzigen Bekennerbrief, ohne eine begleitende Pressekampagne wie >Rettet den Regenwald< oder Ähnlichem, als verunsichernde Einleitung und unmissverständlicher Hinweis auf die Ernsthaftigkeit der verbrecherischen Absichten, und dann, kurz vor knapp, Wammm! diese Forderung. Nachdem die Burg sturmreif geschossen war, oder wie immer man es ausdrücken möchte.
    Ich zog den Wisch aus der Maschine und dachte darüber nach, dass ich die nun würde verschwinden lassen müssen und wohin damit und was wäre, wenn man den Brief zu mir zurückverfolgen könnte und was für ein Durcheinander in meinem Kopf herrschte, fast so schlimm wie in dem Zimmer, in dem ich saß, einmal abgesehen vom Bereich, den der Fernsehbildschirm bestrahlte ...
    Auf eben dem Sofa hatte Willy es noch vor kurzem mit der pickeligen Urlaubsvertretungsbriefträgerin, die an diesem Morgen ihre Runde bei unserer Adresse abgebrochen hatte, getrieben und war, selbstvergessen, vom Gong der Tagesschau überrascht worden, was für die Postbotin einen äußerst abrupten Coitus interruptus bedeutete und für mich einen Schreibauftrag mit einigem an herumgedrucksten Formulierungen.
    Wann war das gewesen .? Moment mal, das musste der 8. Januar gewesen sein, der letzte Brief, den ich für Willy getippt hatte, bevor er . Das hieß, inzwischen war schon wieder einer fällig geworden, denn unser bebrillter Don Juan schrieb einen jede Woche, jeden siebten Tag, seit Monaten, durch nichts und niemanden davon abzubringen, von seinem >Projekt<. Und Willy wäre nicht Willy, wenn er das nicht auch aus der Verschleppung heraus versuchen würde .
    Und im selben Augenblick blieben meine Augen, die, während ich so sinnierte, durch das Zimmer gewandert waren, an einem bestimmten Punkt hängen. Okay, es waren meine Blicke, die gewandert waren, nicht die Augen, die Gott sei Dank weiterhin fest in ihren Höhlen saßen, und sie waren es denn auch, meine Blicke wiederum, die hängen blieben. An einem Punkt. Einem Nagel, um es präzise zu sagen. Einem Nagel in der Wand. Neben der Türe. Daran hatte es gehangen. Das Paar, das ich intuitiv seit Tagen hier vermisste, ohne in der Lage gewesen zu sein, es benennen zu können. Jetzt konnte ich es.
    Die Fußrasten scharrten in jeder Kurve wütend über Flickenasphalt, Straßenbahnschienen, Kopfsteinpflaster und was einem die Ruhr-City noch so an Straßenbelag vor die Räder wirft, der Motor röhrte und spotzte und brüllte, dass man jeden Augenblick erwartete, zwei glühende Kolben durch den Tank

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