Der Willy ist weg
hatte sich sichtlich bemüht, sein perversestes Grienen in die Linse zu halten, doch die einzigen anderen Bilder von ihm, die ich in der Eile finden konnte, zeigten ihn entweder bewusstlos zwischen leeren Flaschen oder aber verprügelt, verstümmelt und mit 'ner BILD-Zeitung vor der Brust - und Scuzzi hechelte davon, sich Schlittschuhe mieten.
Ich fragte ein bisschen herum, griff mir jeden, der vorbeikam, ließ aber gleichzeitig das Törchen zur Eisfläche nicht aus den Augen, bis mein bekiffter Begleiter unsicher angestakst kam und die erste Kufe auf die tückische Oberfläche setzte.
>Like a virgin, hey!< quäkte es aus den Lautsprechern, doch Scuzzi schien die Musik nicht mehr ganz so zu genießen wie am Anfang. Hohe Konzentration furchte ihm die Stirn in zwei Hälften, und sein Griff an die Bande war der eines Mannes, der weiß, dass dies sein letzter Halt vor dem Abgrund ist. Und dann überraschte er mich. Ich hätte drauf gewettet, dass er für immer am Rand blieb oder andernfalls keine fünf Meter schaffte, ohne sich auf den Hintern zu setzen, doch nach nur ein paar noch etwas zittrigen Probeschritten ließ er tapfer die Bande los, stieß sich recht energisch ab und glitt erstaunliche zehn, fünfzehn Meter weit, bevor es ihm beide Füße gleichzeitig nach hinten wegriss und er der Länge nach den kalten Spiegel küsste.
>. touched for the very first time .< trällerte es mitleidlos.
Zwei Teenager in Kaninchenfelljacken halfen ihm hoch, und ich sah sie die Lockenköpfe schütteln, als er ihnen, wieder auf schwankenden Kufen, rasch Willys Bild zeigte. Nie gesehen, las ich aus ihren Mienen.
Eine ganze Menge Leute erinnerten sich allerdings. Manche lebhaft.
»Ja, der war oft hier«, hieß es. »Immer am Grinsen.«
»Lief ganz passabel. Hing allerdings die meiste Zeit an der Pistenbar herum.«
Na, dahin war ich - Recherche - sowieso unterwegs. Außenrum, allerdings. Nicht auf dem vermeintlich kürzeren Weg, auf dem Scuzzi es probierte.
»Willy, ja«, erkannte ihn der sonnenstudiogeröstete und sportstudiogeblähte Barmann mit dem Krokodil auf dem Hemd sofort wieder. »Immer am Picheln. Immer am Baggern. Immer am Grinsen.«
Unser Willy, dachte ich, seltsam berührt. Wie er leibt und lebt.
Nur darüber, was ich eigentlich in Erfahrung bringen wollte, bekam ich nichts Konkretes heraus.
»Och, du«, meinte der Barmann auf Anfrage und sog kurz Luft zwischen den Zähnen hindurch, als er Scuzzi, nur noch sechs Meter entfernt, nach einem halben Salto rückwärts flügelschlagend darniederkrachen sah, »das waren ständig andere. Und oft ziemliche Geschosse, um es vorsichtig auszudrücken.« Die beiden Teenager von vorhin kamen wieder angefegt und halfen meinem Freund zurück auf die Kufen, bürsteten ihn ab, hinten und vorne, und giggelten nicht schlecht dabei.
>Wo gibt's hier die Schlittschuhe?<, fragte ich mich, für einen Moment abgelenkt.
»Einmal kam er mit einer an, die war so dick, dass das Eis unter ihren Kufen rissig wurde. Und einmal .«
Ich ließ es mir alles erzählen. Die eine oder andere Person kam mir selbstredend bekannt vor, und sei es von >Vorwärtsrückwärts, Treppe-rauf, Treppe-runter<, doch, wie gesagt, irgendetwas Konkretes, meinen Puls Beschleunigendes kam nicht dabei herum. Bis ich Scuzzis Schlittschuhe zurück zur Ausgabe brachte. Während er sich noch etwas stärkte und wahrscheinlich den Teenies ein bisschen Dope andrehte.
»Oh, ja, der Willy«, entfuhr es dem mütterlichen Typus hinter dem Ausgabeschalter, und ihre Augen leuchteten auf.
»Netter Junge. Gibt immer Trinkgeld.«
Ein Fünfer fand seinen Platz neben Scuzzis Kufen.
»Doch die Gestalten, mit denen er sich umgibt .« Sie schüttelte den Kopf auf eine mütterliche Art. »Bis auf letztes Mal«, erinnerte sie sich. »Vor . vierzehn Tagen oder so muss das gewesen sein. Ich weiß noch, ich dachte: Na, das ist ja endlich mal eine Abwechslung zum Besseren. Nicht so . na ja, so abgerissen, wie die anderen oft.«
»Könnten Sie mir eine Beschreibung geben?«, bat ich. Und sie gab sie mir.
Und mein Puls beschleunigte sich. Ganz konkret.
»Heiner«, sagte ich, »hast du irgendetwas da, was sich noch bewegt?«
Ich hatte die XS bei meiner Yamaha-Werkstatt zurückgelassen, und Volker, der Inhaber, hatte nach längerer, schweigender, kopfschüttelnder, mehrfacher Umrundung der Maschine alleine für die Erstellung eines Kostenvoranschlages »mindestens 'ne Woche« kalkuliert.
Heiner Sültenfuß ließ einen fast schon
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