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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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mir an und nickte dazu, als ob ich etwas davon verstünde.
    »Sie sagten was von >Gehen<«, sagte ich dann. »Das muss ja eine Richtung haben.«
    »England«, sagte Albert. »Das meiste ging nach England. Hier.« Und er reichte mir den Durchschlag eines Überweisungsformulars.
    Ich las >Camelot Racing<, und dann las ich noch die Summe. Hunderttausend Mark. Schließlich las ich noch das Datum. Es war der 17.1. diesen Jahres.
    »Die Beträge wurden im Laufe der Monate höher und höher«, erläuterte Albert.
    »Und alle an Camelot Racing?« Ich verstand nicht ganz.
    »Was ist das? Unterhält er ein Rennteam?« Der kleine, schuppige Doktor als Sponsor eines englischen Auto- oder Motorradrennstalls wollte mir nicht ins Hirn. Aber echt nicht.
    »Pferdewetten«, mischte sich der Schwede ein. »Camelot ist ein Wettbüro. Pferdewetten weltweit.«
    Und auf einmal kam von irgendwo her ein Hämmerchen und klopfte mir pock eins zwischen die Äuglein. Der Mann im ersten Stock. In der VIP-Lounge. Am Raffelberg. Der mit der überschnappenden, schrillen Stimme. Der den Tod des Jockeys gefordert und den ich nur als flüchtigen Schemen wahrgenommen hatte. Das war Roth-Bichler gewesen.
    »Soll das heißen, er hat Willys ganzes Geld für Pferdewetten verballert? Er hat die Knete veruntreut und verpulvert? Ein Notar?«
    Wenn das rauskäme, dann wäre für den Doktor der Jurisprudenz aber ganz schön die Kacke am Dampfen, wie man - bei uns sagt. Wenn das rauskäme ...
    »Es sind nichts als Zahlen«, meinte Albert liebevoll, »und doch kann man sie lesen wie einen Roman.«
    Ob er das auch zu den Restaurantbesitzern sagt, während er ihnen ausrechnet, wie viel von ihrem Umsatz sie diesen Monat für den >Schutz< des Schweden rausforken müssen?, dachte ich, so nebenbei. >Ihre Januarbilanz liest sich für mich wie Flaubert    »Meine Theorie ist, er hat sich, als ein paar Wetten dramatisch schief liefen, mal kurz was geliehen, das er dann aus den neuen Gewinnen zurückzahlen wollte. Die Gewinne kamen aber nicht, oder nicht im gewünschten Umfang, also hat er sich mehr geliehen, mehr riskiert, um mehr einzunehmen, weil mittlerweile ja auch die Fehlbeträge angewachsen waren. Glücksspiel auf Pump ist, so gesehen, keine wirklich gute Idee.«
    Wenn das rauskäme .
    »Was er die ganze Zeit nie angetastet hat, waren die Sparkonten, also die Bargeldbestände. Ich nehme an, weil jeder Trottel einen Kontoauszug lesen kann.«
    Selbst unser Willy, dachte ich.
    »Bis auf einmal, Anfang dieses Monats, kurz hintereinander mehrere große Beträge von den Sparkassenkonten abgezogen und nicht nach England, sondern, wie es aussieht, auf Konten einer Luxemburger Bank überwiesen wurden.«
    Luxemburg. Wieder mal.
    »Roth-Bichler hat den Notgroschen zusammengerafft und wollte sich absetzen«, mutmaßte ich.
    »Vielleicht. Doch das Seltsame ist, dass es hier, in seiner ansonsten makellosen Buchführung, für die Luxemburger Konten keine Belege gibt.«
    Hm.
    »Aber was«, wandte ich mich an den Schweden, »mal ganz im Ernst, ist Ihr Interesse an der ganzen Angelegenheit?«
    »Ah«, antwortete er und zuckte mir unter dem Pony vom Modell >Prinz Eisenherz< freundlich zu. »Und ich dachte schon, Sie fragen nie. Doch für die Antwort muss ich ein bisschen ausholen. Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Nicht so richtig, gleichzeitig habe ich einen extrem voll gepackten Tag heute und bin deshalb in Eile, wenn wir also .«
    »Umso wichtiger, gut gefrühstückt zu haben. Spiegeleier? Toast? Wir haben auch Croissants. Italienischen Kaffee, natürlich. Marmelade aus den Obstgärten von Kfar Saba. Hausgemacht von meiner Mama. Sie kennen Kfar Saba?«
    Was war das für eine Frage? Musste man das Kaff kennen?
    »Eine von Mülheims Partnerstädten«, erklärte er mir.
    Wir hatten mehrere? Ich kannte nur Tours, in Frankreich. Da war mal eine Austauschschülerin gewesen.
    »Wie dem auch sei. Die Marmelade meiner Mama müssen Sie einfach probieren.«
    »Na gut.«
    Kaum im Wagen, musste ich noch mal raus, um einen Flyer unterm Wischerblatt wegzuziehen. Er war von McDagobert's. Auf der Fahrt kam ich unter einer Brücke hindurch, an deren Geländer ein breites Werbeband geflochten war.
    Von McDagobert's. Ich bog ab, und ein Plakatkleber strich noch mal mit der Kleisterbürste über seine neueste Arbeit. McDagobert's. Und als ich vor dem Fuckers' Place anhielt und ausstieg, schnurrte ein Bannerflieger über den frostklaren Winterhimmel. McDagobert's, las ich, Neueröffnung, las ich, wie

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