Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
und was damit, in seinen Augen, alles auf dem Spiel stand.
    Es war ein Chaos. Graugesichtige Monteure hämmerten, schraubten, sägten, pinselten an der Inneneinrichtung herum. Die angehende Küche wurde aus verschachtelten Nirostastahlteilen aneinandergefügt, in einer Ecke des Gastraumes waren noch nicht mal die Bodenfliesen verlegt und die Wände gestrichen, während man in einer andern schon das Mobiliar aus seinen Plastikhüllen schälte. Lärm, Gereiztheit, Übermüdung, Termindruck, dazu die Lösungsmittel aus Klebern, Reinigern und Farben, das Sägemehl und diverse Kalkstäube bildeten die auf Dauer graugesichtig machende Atmosphäre.
    »Also, lassen Sie hören«, forderte mein Klient und meinte Vorschläge damit.
    »Ich könnte Ihnen eine entschlossene, schlagkräftige Schutztruppe zusammenstellen«, sagte ich, wie wir so standen und zusahen. »Deren Job wird es sein, den zu erwartenden Anschlag im Ansatz zu verhindern und den Attentäter unter allen Umständen zu ergreifen. Sie könnten die Nacht zum Eröffnungstag hier Wache schieben, und am Tag selber besetzen wir mit diesen Männern, in Zivil, versteht sich, alle strategisch wichtigen Positionen in und um das Restaurant. Was halten Sie davon?«
    So weit, so gut, das hielt er davon. Doch in dem einen oder anderen Punkt hatte er, wie ich befürchtet hatte, eigene, abweichende Ideen. >In Zivil< war eine davon.
    »Sie haben angerufen«, knirschte Charly zwischen den Zähnen hervor. »Wollten wissen, ob wir das Geld haben.«
    Ich nickte. Das überraschte mich nicht. »Ich hab gesagt, wir kriegen es heute Abend, und sie haben aufgelegt.«
    »Gut«, sagte ich, mehr nicht. Eins nach dem anderen. Die Entführer würden heute Abend wieder anrufen, bis dahin gab es, um es mit Queneau zu sagen, andere Katzen zu peitschen. Es wurde Zeit für mich, mit einem Geständnis herauszurücken.
    »Charly«, begann ich, »ich muss dir was gestehen.«
    Er sah mich kühl an.
    Ich sagte: »Ich habe keine Ahnung, wie Deliah mit Nachnamen heißt. Oder wo sie wohnt.« Sein blauer Blick umwölkte sich nachdenklich. »Mag sein, sie hat es mir irgendwann gesagt, mag sein, nicht.«
    »Und?«
    »Sie hat sich heute Morgen zur Frühschicht verabschiedet, aber im Krankenhaus haben sie gesagt, sie hätte Urlaub.«
    Er schien nicht beeindruckt.
    Ich nahm den Hörer ab und wählte die Nummer des Evangelischen Krankenhauses. Ließ mich mit der Urologischen Abteilung verbinden. Ein Schwester Andrea meldete sich, dieselbe wie vorhin schon.
    »Es ist noch mal wegen Schwester Deliah«, sagte ich. »Da scheint es eine Verwechslung gegeben zu haben. Wir sprechen hier doch beide über Deliah Zapotek?«
    Nein, taten wir nicht. »Wie heißt sie dann?«, fragte ich voller Verwunderung. »Meier«, war die Antwort, und als ich nach der Adresse fragte, wurde ich zurückgefragt, warum ich das wissen wolle, und ich gab »Gewohnheit« als Antwort, worauf Schwester Andrea schnappte, dass sie auf solche Anfragen »aus Gewohnheit« mit Auflegen reagiere, was sie dann auch tat.
    »Und der letzte Ort«, wandte ich mich wieder an Charly und zeigte ihm den Zettel, auf den ich während des Telefonates >Meier< geschrieben hatte, »wo Willy gesehen wurde, war das Eisstadion in Wedau, und die letzte Person, mit der er gesehen wurde, war eine auffallend hübsche Blonde mit Bubikopf und einem kreisrunden Mund.«
    Charly lehnte sich an eine Wand, senkte den Kopf und zupfte an seiner Nasenspitze herum. »Telefonbuch«, meinte er. »Mülheim, Essen, Duisburg, Oberhausen. Und so fort. Was für ein Kennzeichen hat ihr Auto?« Und ich glaube, ich wurde rot. Ich wusste es nicht.
    Das Klingeln des Telefons rettete mich. Es war der Schwede.
    »Kommen Sie mal rüber«, sagte er. »Wir haben ein, zwei Sachen herausgefunden, die Sie interessieren könnten.«
    »Bin unterwegs«, sagte ich.
    »Auf Roth-Bichlers Konten herrscht ein enormes Kommen und Gehen«, sagte Albert, strich sich mit der einen bändchenbehangenen Hand die Lockenpracht aus dem Blickfeld und mit der anderen mehrere DIN-A4-Seiten mit Zahlenkolonnen entlang. Der Schwede hockte auf einer Ecke des mit ähnlichen Papieren ausgelegten Schreibtisches und hielt sich bedeckt.
    »Und das Kommen kam im Laufe des letzten Jahres mehr und mehr aus dem Heckhoffschen Besitz. Es gibt Belege über Aktienverkäufe und andere Wertpapierveräußerungen im größeren Stil. Sogar zwei Grundstücksverkäufe sind hier irgendwo festgehalten.«
    Er deutete auf weitere Papiere, und ich sah sie

Weitere Kostenlose Bücher