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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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zurück. »Weißt du, was?«
    »Was?«
    »Wir arbeiten schon zu lange zusammen.«
    »Wieso?«
    »Weil ich auch denke, dass an dieser Sache mit Kirsten Küver was faul ist.« Hoogens öffnete ein Word-Dokument auf seinem Rechner, in dem er sich einige Notizen gemacht hatte. »Ich hab mir die Unterlagen zu ihrer Vermisstenmeldung aus Hamburg schicken lassen und bei den Kollegen in Bergedorf angerufen. Ich wollte nachhören, ob dieser andere Auswanderer aus Odisworth, mit dem Kirsten Küver unmittelbar vor ihrem Verschwinden Kontakt hatte, seitdem noch einmal aufgefallen ist.«
    »Und?«
    »Ich hoffe, du sitzt gut.« Hoogens machte eine Kunstpause. »Andreas Bertram hatte eine Anzeige wegen sexueller Belästigung gegen sich laufen.«
    »Wie bitte?«, fragte Smolski.
    »Er hat sich in einem Club danebenbenommen. Er war sturzbesoffen und hat eine Wildfremde auf der Tanzfläche von hinten umarmt und versucht, sie zu küssen. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt, weil er glaubhaft versichern konnte, dass eine Verwechslung vorlag.«
    »Eine Verwechslung?«
    »Er hat zu Protokoll gegeben, er hätte die Frau für eine alte Bekannte aus seinem Heimatort gehalten.« Hoogens schloss das Dokument. »Jetzt darfst du dreimal raten, mit wem er sie verwechselt haben will.«
    Smolski lag gleich beim ersten Versuch richtig. »Kirsten Küver.«

86
     
    Andreas wohnte in einem vierstöckigen rot geklinkerten Mietshaus mit Fahrradständern vor der Eingangstür und dem in die Fassade eingelassenen Kupfersiegel einer Baugenossenschaft. Jule suchte sein Klingelschild. Bertram .
    Nach einer halben Minute knisterte ein »Ja?« aus der Gegensprechanlage.
    »Hier ist Jule.«
    Der Türschnapper summte, und sie drückte die Tür auf. Eine angenehme Kälte und der Duft eines Generalreinigers empfingen sie. Die Treppenstufen glänzten noch feucht.
    Es war ein rundum sauberes Haus mit acht Parteien. Andreas’ Wohnung war die linke in der ersten Etage.
    Sie erschrak, als sie ihn in der Tür stehen sah. In der Firma achtete Andreas penibel auf sein Äußeres: Er gehörte zu jenen, die sogar in der größten Hitzewelle nie auf die Idee kamen, Kurzarmhemden zu tragen. Sie hatte ihn noch nie mit ungewaschenem Haar, Bartstoppeln, in T-Shirt und Jogginghose gesehen – bis zu diesem Augenblick.
    Er bat sie lächelnd herein, und sie betrat eine Wohnung, die eher wie ein Übergangsquartier wirkte: Neben der Tür stapelten sich leere Pizzakartons. Im Flur schauten die nackten Kabel aus der Decke, wo man eigentlich eine Lampe vermutet hätte. Die Wände waren kahl, ohne ein einziges Bild, Poster oder Hängeregal. Die einzigen Einrichtungsgegenstände im Wohnzimmer waren ein graues Zweisitzersofa, ein einfacher Couchtisch in Buchenfurnier, ein alter Poäng-Sessel von Ikea mit schwarzem Polster und ein gewaltiger Flachbildfernseher. Die Vorhänge waren zugezogen, rings um das Sofa lagen Red-Bull-Dosen verstreut. Die Luft war von einem ätzenden Gestank geschwängert, der in Jule die Erinnerung an fehlgeschlagene Experimente im Chemie-Unterricht weckte. Er ging von einem Aschenbecher auf dem Couchtisch aus, in dem Jule die gewellten schwarzen Reste von etwas ausmachte, das sie erst für ein verbranntes Stück Papier hielt. Dann bemerkte sie den Schuhkarton, der eine Armlänge vom Aschenbecher entfernt stand und vor Fotos überquoll.
    »Störe ich?«, fragte sie unsicher.
    »Gar nicht.« Andreas schlurfte zur Couch, setzte sich und bückte sich nach einer der Dosen zu seinen Füßen. Er schüttelte sie leicht, zeigte ein zufriedenes Gesicht, als es leise in der Dose schwappte, und trank die Neige. Danach zeigte er auf den Sessel. »Setz dich doch.«
    Jule tat ihm den Gefallen.
    »Was macht die Arbeit?«, wollte er wissen.
    »Ich bin damit durch, alle relevanten Odisworther mindestens einmal kontaktiert zu haben. Es sieht ziemlich gut aus«, erklärte sie. Sie befürchtete, dass das Projekt Baldursfeld ein heikles Thema für ihn darstellen konnte. Es würde nicht schaden, ihn für eine seiner Leistungen zu loben. »Ich habe alle noch mal auf die Möglichkeit der Besichtigung einer Anlage hingewiesen, die du für nächsten Montag arrangiert hast. Das war eine echt schlaue Idee. Keiner von denen wird die Katze im Sack kaufen. Aber wenn sie erst einmal ein Windrad aus der Nähe gesehen haben –«
    Andreas zeigte kaum Interesse an ihren Ausführungen. Er lehnte sich in den Polstern zurück und grinste breit. »Ja, ja. Ich habe übrigens gekündigt.

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