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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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ihrer Puppensammlung. »Nach dem Brand hatte er niemanden mehr hier.«
    »Andreas hat mir erzählt, dass Jan vorher schon ein Außenseiter gewesen ist«, wunderte sich Jule. »Weil er als Junge mit Puppen gespielt hat. Die anderen Kinder haben ihn deswegen Schwulibert gerufen.«
    »So?« Eva hob die Augenbrauen. »Das ist mir neu.« Sie schüttelte den Kopf. »Daran war bestimmt Jette schuld. Sie hatte sich immer ein Mädchen gewünscht.«
    »Sein Vater war wohl auch nicht gerade begeistert«, gab Jule zu.
    »O ja.« Eva nickte mit zusammengekniffenen Lippen. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Klaas war ein harter Hund.« Sie wischte mit der flachen Hand durch die Luft, um eine kräftige Ohrfeige anzudeuten. »Auch zu Jette. Wenn man es so sieht, hatte das Feuer für Jan vielleicht auch etwas Gutes.«
    »Wieso?« Jule war bestürzt über Evas Andeutung.
    »Na, ganz einfach: Weil Klaas seinen Sohn eher umgebracht hätte, als einen von der Sorte unter seinem Dach zu dulden. Er hätte ihm das Leben zur Hölle gemacht, so viel steht mal fest. Und Jette gleich mit dazu. Sie war viel zu schwach, um sich gegen ihn zu wehren.«
    Jule schwieg. Was hätte jemand wie Klaas Nissen wohl dazu gesagt, dass es in Hamburg auf der Langen Reihe einen schwulen Laden neben dem nächsten gab? Als hätte sie Jules Gedanken gelesen, fällte Eva ein abschließendes Urteil: »Dann ist es ja wirklich gut, dass Jan fort ist und sich kaum noch blicken lässt. Er passt nun mal nicht nach Odisworth.« Sie lächelte freundlich und fragte: »Soll ich uns mal einen Tee kochen?«

106
     
    Stefan Hoogens nutzte auf dem Heimweg die Freisprechanlage seines Mondeos, um noch einmal beim Polen durchzuklingeln. Er rief aus dem Auto an, weil er seine Arbeit von der Bärenhöhle – seiner Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung in Husum mit schickem Blick auf die Nordsee – so weit fernhielt, wie es sich eben als Kripobulle einrichten ließ. Sein gesamter Plan für den Montagabend war, sich in die Wanne zu legen, um etwas für seinen angeschlagenen Rücken zu.
    »Warst du bei diesem Therapeuten?«, fragte er Smolski, als er ihn an der Strippe hatte.
    »Ja.« Smolski klang irgendwie merkwürdig.
    »Und?«
    »Ich bin fast umgefallen, als er vor mir stand.«
    »Warum?«
    »Er ist der Mann auf den Fotos.«
    »Kein Scheiß?«
    »Kein Scheiß. Aber er ist nicht unser Mörder.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Ziemlich.«
    »Ziemlich ist der beste Freund von dämlich. Was hat der Typ in Odisworth getrieben?«
    »Er hat sich anscheinend Vorwürfe wegen Kirsten Küver gemacht. Deshalb war er dort.« Smolski machte eine längere Pause. »Ich kann ihn schon gut verstehen. Es muss schlimm für ihn gewesen sein, als sie einfach verschwunden ist. Immerhin war sie seine Patientin.«
    »Hat er was darüber gesagt, warum sie eine Therapie gemacht hat?«
    »Nein, aber er hat was anderes Interessantes anklingen lassen.«
    »Und zwar?«
    »Dass er glaubt, Kirsten Küver wäre jemandem aus Odisworth begegnet, der ihr etwas Schlimmes angetan hat.«
    Hoogens musste an den verlotterten Kerl denken, den er in Hamburg-Bergedorf besucht hatte. »Kann es sein, dass er diesen Bertram meint?«
    »Keine Ahnung. Jedenfalls sollten wir in Odisworth suchen.«
    »Dann suchen wir in Odisworth«, gab sich Hoogens geschlagen. »Ich rufe gleich noch Wessler an, dass er den Durchsuchungsbefehl für Fehrs fertig macht. Die Hunde stehen für uns auf Abruf.«
    »Du hörst dich enttäuscht an.«
    »Kann sein«, seufzte Hoogens. »Ich hasse Hunde.«
    »Hat das irgendeinen rationalen Grund?«
    »Tierhaarallergie«, antwortete Hoogens und stellte fest, dass ihm allein schon beim Gedanken an die Leichenspürhunde die Nase lief.

107
     
    Jule verzichtete auf ein Abendessen mit den Jepsens. Ihr fehlte der Appetit. Sie holte ihr Rollköfferchen aus dem Auto und räumte es nach den strengen Vorschriften aus, die sie sich auferlegt hatte. In einer Hinsicht war sie trotz des insgesamt eher ernüchternden Tages stolz auf sich: Sie hatte es geschafft, nach ihrem unfreiwilligen Ausflug auf den Acker den Mut aufzubringen, den Motor wieder zu starten, den BMW im Schritttempo zurück auf die Straße zu manövrieren und nach Odisworth zu fahren. Es war bereits der zweite Triumph über ihre Angst binnen kürzester Zeit. Sie befand sich eindeutig auf dem Weg der Besserung.
    Soweit sie es beurteilen konnte, hatte der Wagen abgesehen von einigen kleinen Kratzern und winzigen Dellen, wo spitze Steinchen die Karosserie getroffen

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