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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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hatten, keinen Schaden genommen. Sie holte die Visitenkarte, die ihr Rolf nach ihrem Werkstattbesuch ausgehändigt hatte, aus ihrer Handtasche und starrte unschlüssig auf die Nummer. Im Grunde wäre es nur sinnvoll, ihn den Wagen inspizieren zu lassen: Sie war alles andere als eine Expertin, und außerdem wäre es eine günstige Gelegenheit, ihn auf neutralem Terrain wiederzutreffen. Sie steckte die Karte wieder weg und beschäftigte sich lieber noch ein Weilchen mit ihrem Smartphone.
    Der Klang einer dunklen Stimme aus dem Nebenzimmer ließ sie aufhorchen. Es war dieselbe Stimme, die in ihrer ersten Nacht in Odisworth eine außerordentlich beruhigende Wirkung entfaltet hatte. Smolski.
    Sie rang einen Augenblick mit sich, ehe sie auf den Flur trat und an seiner Tür klopfte. Er freute sich anscheinend, sie zu sehen, denn er zeigte ihr sein wölfisches Grinsen und bleckte die Zähne. »Na, auch wieder da, Frau Schwarz?«
    »Ja.« Jule räusperte sich. »Hören Sie, ich … ich wollte mich nur noch einmal ausdrücklich dafür entschuldigen, dass ich Ihnen am Freitag vielleicht zu wenig gezeigt habe, wie viel mir Ihre Unterstützung in dieser Puppensache bedeutet. Ich … Ich war nur ein bisschen ungeduldig. Da war ein Telefonat, das ich nicht aufschieben konnte.«
    »Keine Sorge. Ich bin nicht sehr nachtragend.« Er zwinkerte ihr zu und strich sich über sein Ziegenbärtchen. »Meistens jedenfalls.« Sein Grinsen wurde etwas schmaler. »Ich bin übrigens Ihren Brief losgeworden. Ich muss Ihnen allerdings raten, sich nicht zu viel davon zu versprechen.«
    »Trotzdem danke«, entgegnete sie. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie so bald wieder nach Odisworth kommen. Gibt es …« Sie stockte. »Gibt es etwas Neues in Ihrer Mordserie?«
    Er machte einen Schritt nach hinten und eine knappe einladende Geste. »Ich würde es vorziehen, wenn wir das nicht zwischen Tür und Angel besprechen.«
    Sein Zimmer war mehr oder minder eine exakte Kopie von ihrem. Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass über seinem Bett ein riesiges Puzzlebild mit der Skyline von Manhattan hing, auf dem die Zwillingstürme des World Trade Centers noch standen. Auf dem Stuhl neben dem Bett lag ein schwarzer Rucksack. Der Reißverschluss war offen. Sie erspähte ein Paar Socken, eine knittrige Boxershort und einen von Zahnpastaflecken überzogenen Kulturbeutel.
    Er bemerkte ihren Blick und meinte: »Ich reise immer mit leichtem Gepäck.« Dann schlug er einen ernsteren Ton an. »Ich bin wegen Fehrs hier.«
    »Warum das? Sie hatten doch neulich noch eine andere Spur. Ich dachte, Fehrs sei vielleicht längst aus dem Schneider.«
    »Das hielt ich damals auch für nicht ganz unwahrscheinlich.« Er fasste sich in den Nacken und begann, sich zu massieren. »Aber aus der anderen Spur ist nichts geworden. Und Fehrs hat sich bei seinen Aussagen inzwischen in einige Widersprüche verstrickt. An dem Tag, an dem ich bei ihm war und Ihnen dort über den Weg gelaufen bin, hat er seinen Hund im Garten begraben.«
    »Ich weiß.« Jule versuchte, nicht weiter an den Inhalt der Grube zu denken.
    »Mir hat er gesagt, er hätte das arme Vieh getötet, weil es ihm zu bissig war. Meinem Partner, der ein paar Tage später bei ihm war, hat er erzählt, der Hund sei krank gewesen. Das hat mich stutzig gemacht.«
    »So eine Kleinigkeit?«
    »Ja, so eine Kleinigkeit. Und da waren tatsächlich noch ein paar andere Auffälligkeiten. In Bezug auf seine Frau nämlich.«
    »Und zwar welche?« Jule hatte das Brautkleid der kopflosen Schaufensterpuppe schon beinahe wieder vergessen. Nun fiel es ihr wieder ein, ebenso wie die stickige Luft in Fehrs’ Haus und die Angst, die sie bei seinem Wutausbruch gepackt hatte. Sie bekam wacklige Knie und setzte sich auf Smolskis Bett.
    »Zu mir hat er gemeint, seine Frau hätte ihren Koffer gepackt, als sie ihn verließ. Hoogens sagte er, sie hätte alles da gelassen außer ihrem Portemonnaie. Glauben Sie mir, Jule, wenn man von einer Frau verlassen wird, die man liebt, dann merkt man sich jedes einzelne Detail. Was sie anhatte. Was sie als Letztes zu einem gesagt hat. Und man würde auf keinen Fall vergessen, ob sie mit einem Koffer oder nur mit einem Portemonnaie für immer aus der Tür ist. Wie dem auch sei: Da klingelte mein Spinnensinn. Also habe ich die Bankunterlagen der Fehrs durchgesehen. Gleichzeitig habe ich einem Hiwi aus meiner Sonderkommission die leidige Aufgabe übertragen, das Bundesmelderegister und zur

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