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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Waffe und dachte daran, wie glatt sich Margaretes Haut an der Innenseite ihrer Oberschenkel angefühlt hatte. »Ich bestell ihr Grüße von dir, ja, Ute?«
    »Erich! Erich!«
    Er schnitt ihr verzweifeltes Schreien ab, indem er die Verbindung unterbrach.
    »Ich komme zu dir, Liebes«, flüsterte er, als er die Flinte zwischen seine Beine stellte. Der Kolben scharrte über den Stallboden, während er nach dem passenden Winkel suchte, um die Mündung unter sein Kinn pressen zu können.
    »Herr Fehrs?«
    Fehrs keuchte. »Herr Fehrs?«
    »Nein, nein, nein«, wisperte Fehrs. Er streckte die Arme weiter aus. Seine Gelenke knackten. Mit den Fingerspitzen streifte er über den Abzug.
    »Nicht!« Der Kommissar packte die Flinte am Lauf und riss sie nach oben. Ein stechender Schmerz zuckte Fehrs durchs Kinn. Er versuchte, den Kolben zu packen, aber war zu schwach.
    »Das lassen Sie mal hübsch bleiben«, rief der Kommissar, sicherte die Flinte und warf sie über die Seitenwand des Verschlags ins angrenzende Stallabteil. Die Schweine darin quiekten.
    Für Fehrs hörte es sich an wie höhnisches Gelächter. Er schlug die Hände vors Gesicht und wimmerte: »Warum lassen Sie mich nicht gehen? Warum lassen Sie mich nicht einfach zu ihr?«

113
     
    »Stell den Motor ab und kupple aus.«
    »Hier?«, fragte Jule ungläubig. Rolf hatte sie die letzten zehn Minuten über schmale Feldwege von Odisworth weg gelotst. Jetzt sollte sie im Nirgendwo zwischen zwei Dörfern anhalten. Linker Hand erstrahlten Abertausende Rapsblüten in prächtigem Gelb, auf dem Acker rechts raschelten Maisstauden im Wind. Sie waren so allein wie auf einer einsamen Insel irgendwo in den Weiten des Ozeans.
    »Ja, hier.«
    Sie fügte sich seinem Wunsch. Gurgelnd verstummte der Motor. Sie ließ die Hände in den Schoß sinken. »Und was jetzt? Wolltest du mir nicht etwas zeigen?«
    Jule wusste selbst nicht so recht, was sie sich davon versprochen hatte, auf seinen Vorschlag einzugehen. Vorhin im »Dorfkrug« hatte es sich noch so angehört, als würde es sich lohnen. Jetzt war sie sich da nicht mehr so sicher.
    »Hör mir zu.« Er drehte sich im Beifahrersitz halb zu ihr um. Das Auto neigte sich merklich zu seiner Seite hin. »Ich rede zwar manchmal mit Autos, aber ich habe keinen an der Klatsche. Ich weiß genau, was Autos sind. Autos sind Maschinen. Das Gute an Maschinen ist, dass sie sich kontrollieren lassen. Maschinen sind nichts, wovor man Angst haben müsste. Respekt ja, weil sie ihre Funktion erfüllen, aber Angst?« Die Worte strömten ihm aus dem Mund wie ein ruhiger warmer Fluss. »Eine Maschine tut nur das, was man von ihr will. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn man weiß, wie man sie zu bedienen hat, unterwirft sie sich einem voll und ganz. Und du weißt, wie man ein Auto bedient, Jule. Du kannst ein Auto blind fahren. Mach die Augen zu.«
    Eine Ahnung erwachte in ihr. Sie fühlte einen zaghaften Vorboten ihrer Angst. »Ich …«
    »Mach die Augen zu«, wiederholte er sanfter und verscheuchte ihren Anflug von Furcht.
    Sie schloss die Augen und war allein in einer vertrauten Dunkelheit mit ihren Gedanken, seiner Stimme und dem Schlag ihres Herzens.
    »Mach sie erst wieder auf, wenn ich es dir sage. Ich werde merken, falls du spitzelst, also keine Schummeleien. Mir zuliebe und vor allem dir zuliebe.«
    Es hatte etwas von einem Spiel, das er dennoch mit einigem Ernst betrieb. Das kam Jule entgegen. Sie war es gewohnt und schätzte es, sich an Regeln zu halten. Regeln brachten Ordnung ins Chaos. Regeln machten aus Beliebigkeit Sinn. Und da war noch mehr. Ein Prickeln unter ihrer Haut, als würde das Blut in ihren Adern wärmer und wärmer. Ein Prickeln, das sie sehr, sehr lange nicht mehr gespürt hatte, ausgelöst durch die zaghaft erwachsende Hoffnung, sich ganz fallen lassen zu können und dabei darauf zu bauen, dass sie jemand auffangen würde.
    »Ich starte jetzt den Motor.« Er beugte sich nach vorn. Sie nahm zum ersten Mal seinen Geruch richtig wahr. Ein angenehmer Duft wie regennasse Erde. Wie mit einem fernen Donnergrollen erwachte der Motor zum Leben. Jule fühlte einen Bruchteil seiner unbändigen Energie im feinen Vibrieren des Sitzpolsters.
    »Hörst du den Motor?«
    Sie nickte.
    »Hör genau hin. Hörst du, wie er dich darum bittet, dass du ihm freien Lauf lässt? Er wartet nur auf deinen Befehl. Leg den ersten Gang ein.«
    Jule war davon überrascht, wie ihre rechte Hand sofort den Schaltknüppel fand. Die Finger ihrer linken Hand schlossen

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