Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
Vom Netzwerk:
Einzelgespräche führen muss und eine Latte anonymer Tipps bei mir eintrudelt.« Er sah sie prüfend von der Seite an. »Sie sind auch nicht von hier, oder?«
    »Gott bewahre!« Jule lachte auf. »Ich komme aus Hamburg.«
    »Aha.« Er nickte wissend. »Dann war das also Ihr Wagen. Der schwarze BMW auf dem Parkplatz vor der Schule.«
    »Genau. Sie haben ein gutes Auge für Details.«
    Smolski zuckte die Achseln. »Berufskrankheit. Ein schöner Wagen. Warum haben Sie ihn da stehen lassen?«
    Jule spähte verzweifelt nach der nächsten Hausnummer. Die Pension, in der sie für die nächsten Nächte Quartier beziehen würde, musste ganz in der Nähe sein. »Ich habe es nicht sehr weit. Und auf dem Parkplatz vor der Schule steht das Auto doch gut.«
    »Sicher. Wo übernachten Sie denn?«
    »In der Pension Jepsen.«
    »Tatsächlich?« Er schüttelte den Kopf. »Schau mal einer an: Wir haben denselben Weg. Am Ende sind wir auch noch Zimmernachbarn.«
    Fast war es, als könnte Jule Caro hören, wie sie ihr erklärte, dass die Karten niemals logen, und fast war Jule geneigt, ihrer besten Freundin recht zu geben.

20
     
    Die Pension Jepsen befand sich nah genug an einer der spärlich gesäten Straßenlaternen Odisworths, um auch nachts einigermaßen hell erleuchtet zu sein. Dies stellte insofern eine Vergeudung von Energie dar, weil die Fassade der Pension kaum etwas bot, was Jules Blick länger hätte auf sich ziehen können – abgesehen von einem mit weißen Steinen in den roten Klinker gemauerten Besen. Von ihrer Oma, deren Haus ebenfalls diese sonderbare Zierde getragen hatte, wusste Jule, was es damit auf sich hatte: Sie diente dazu, Zigeuner und böse Geister fernzuhalten. Das war aus ihrer Sicht weder politisch noch weltanschaulich korrekt, aber so verhielt es sich nun einmal mit den allermeisten Traditionen, in der Stadt wie auf dem Land.
    Sie durchquerten einen sorgsam gepflegten Vorgarten und traten unter den Windfang vor der Eingangstür. Jule klingelte. Im Hausinnern wurde eine Lampe eingeschaltet, deren schummeriges Licht durch die Glaseinsätze in der Tür auf Smolski und Jule fiel, nur um sofort wieder von einem großen Schatten verschlungen zu werden.
    Der Mann, der ihnen öffnete, füllte den Türrahmen nahezu komplett aus – sowohl in der Höhe als auch in der Breite. Seine kräftigen Arme ließen erahnen, dass er irgendwo unter dem Fett, das er zentnerweise mit sich herumschleppte, kräftige Muskeln hatte.
    »Ja?«, grollte es unter einem schlohweißen Vollbart hervor.
    »Hier sollte ein Zimmer für die Firma Zephiron reserviert sein. Auf den Namen Bertram«, sagte Jule, und um möglichen Verwirrungen vorzubeugen, fügte sie hastig an: »Ich bin statt Andreas Bertram hier.«
    »Und Sie?«, fragte der Mann in Smolskis Richtung.
    »Gabriel Smolski. Herr Mangels sollte vor fünf oder zehn Minuten bei Ihnen angerufen haben. Er wollte dafür sorgen, dass ich nicht in meinem Auto übernachten muss.«
    »Dann mal rein in die gute Stube.« Der Mann machte einen Schritt zur Seite und gab einen Spalt frei, durch den sich Jule und Smolski in einen schmalen Flur quetschen konnten.
    Ihr Gastgeber zeigte auf eine Treppe, deren Stufen mit abgewetzten Teppichstücken bespannt waren. »Die Zimmer sind oben. Der Herr hat die Zwei, die Dame die Drei.«
    »Hab ich’s doch gesagt«, raunte Smolski Jule zu. »Zimmernachbarn.« Er hob den Koffer an. »Ich stelle ihn Ihnen vor die Tür, okay?«
    Jule nickte nur stumm, weil sie von Jepsens Präsenz buchstäblich erschlagen war.
    Smolski war schon halb die Treppe hinauf, als er sich noch einmal umdrehte. »Und falls Sie etwas Gesellschaft brauchen, klopfen Sie einfach an. Dreimal kurz, dreimal lang.« Er zwinkerte ihr zu und verschwand ins Obergeschoss.
    Jule entging der kritische Blick von Jepsen nicht. »Das war nur ein Scherz. Wir kennen uns kaum.« Es war Zeit für einen Themenwechsel. »Hübsch haben Sie es hier.«
    Das war eine Notlüge, aber Jule stellte fest, dass neben dem Besen noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen dem Haus ihrer Oma und dieser Pension bestanden: geschmacklose Bilder an den Wänden – überwiegend Pferde- und Katzenmotive –, die stickige Wärme unnötigerweise voll aufgedrehter Heizkörper und der penetrante Duft von Lavendel. Es waren Momente wie dieser, in denen sie sich still zu ihrer Entscheidung beglückwünschte, zum Studium aus den Randbezirken Pinnebergs nach Hamburg gezogen zu sein.
    Der kurze Gedanke an Hamburg erwies sich als Weckruf

Weitere Kostenlose Bücher