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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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auszuschließen gewesen, dass sie ob der Unterhaltung mit Smolski und Frau Jepsens Eröffnungen über den Schweinebauern die Zeit vergessen hatte.
    »Nein, nein«, wiegelte Mangels ab, ohne ihr dabei in die Augen zu sehen. »Es ist nur …« Er verstummte kurz, nahm die Mütze ab und fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Sehen Sie, es ist wegen Ihres Termins mit dem Gemeinderat.«
    »Ja …«
    »Es ist mir wirklich unfassbar peinlich, dass ich das so kurzfristig mache, aber ich müsste ihn absagen.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst.« Jule war nicht so weit die Karriereleiter hinaufgeklettert, um sich nach Belieben herumschubsen zu lassen. »Sie haben mir doch noch gestern Abend versichert, dass er auf jeden Fall stattfindet.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Mangels. »Aber bei all der Aufregung um diesen Vorfall habe ich mich zu einer Zusage hinreißen lassen, die ich so nicht einhalten kann. Das müssen Sie doch auch verstehen. Schauen Sie, Frau Schwarz, wir haben die Medien im Ort, das kann man nicht einfach ignorieren. Damit muss man sich auseinandersetzen. Und das kostet Zeit.«
    Jule fixierte ihn durchdringend und leitete ihren wachsenden Zorn in die Kanäle, die ihr bei früheren Projekten in vergleichbaren Situationen die besten Dienste geleistet hatten: kühle Beherrschtheit und Klarheit in ihren Ansagen. »Dann würde ich vorschlagen, dass Sie mir gegenüber in Zukunft realistischere Einschätzungen von Sachverhalten abliefern. In unserem beiderseitigen Interesse. Aufgrund des bisherigen Projektverlaufs gehe ich davon aus, dass Sie unser gemeinsames Vorhaben nach besten Kräften unterstützen.« Obwohl ihr Chef in Hamburg wahrscheinlich vor Fassungslosigkeit explodiert wäre, wenn er sie in diesem Moment hätte hören können, setzte Jule alles auf eine Karte. »Odisworth ist nicht der einzige vielversprechende Standort für einen Windpark. Bis wann kann ich mit einem neuen Termin für die verpasste Sitzung rechnen?«
    Jules Bluff ging auf. Mangels zuckte sichtlich zusammen. »Frau Schwarz, bitte überstürzen Sie jetzt nichts. Haben Sie doch etwas Geduld. Übers Wochenende sollte … da wird sich die Lage beruhigt haben.«
    »Also Montag um die gleiche Zeit?«
    »Ich denke schon.« Mangels schluckte. »Ich werde dafür Sorge tragen, dass alle dabei sind.«
    »Schön. Bis Montag also.« Sie nickte knapp, machte einen Schritt zurück und schloss die Tür. Durch das Glas konnte sie sehen, wie Mangels’ Arm sich in Richtung des Klingelknopfes bewegte. Dann überlegte er es sich anders und ging davon.
    Es war ein Pyrrhussieg, den Jule davongetragen hatte, und sie konnte sich dementsprechend nicht lange daran erfreuen. Als ihr klar wurde, dass ihr heute noch die lange Rückfahrt nach Hamburg bevorstand, befiel sie ein heftiger Schwindel. Sie stützte sich mit einer Hand am Treppengeländer ab. Die andere fuhr wie von selbst an ihr Ohrläppchen. Sie drückte zu. Einmal. Zweimal. Dreimal. Sie wusste nicht, was sie mehr hasste: sich selbst, ihre Angst oder dieses verfluchte Dorf.

27
     
    Es hatte keinen Sinn, ins Büro zurückzufahren. Was hätte Jule ihrem Chef auch berichten können, das seinen Erwartungen gerecht geworden wäre? Nichts. Statt von einer glänzend gelaufenen Präsentation zu erzählen, hätte sie ein Geständnis darüber ablegen müssen, wie sie Mangels mehr oder weniger an der Nase herumgeführt hatte.
    Also entschied Jule, ein paar Überstunden abzufeiern und in ein langes Wochenende zu gehen. Noch von der Pension Jepsen aus meldete sie sich bei Caro und kündigte ihren Besuch an, den sie ihrer Freundin mit einer Doppeleinladung zu einem mittäglichen und einem abendlichen Restaurantbesuch schmackhaft machte. Mit Caro gab es wenigstens etwas Handfestes zu besprechen: die Frage, wie Smolskis Verhalten denn nun genau zu beurteilen war. Mit ihrem Rollköfferchen spazierte sie wieder in Richtung Schule. Zugegebenermaßen wirkte Odisworth tagsüber nicht ganz so trostlos wie in der Nacht. Die Atmosphäre im Dorf als malerisch zu beschreiben, wäre vielleicht etwas zu viel gewesen. Beschaulich war sie jedoch allemal. Manche Leute, die mit der Hektik in der Stadt nicht gut zurechtkamen, träumten davon, in Orten wie Odisworth in einem Häuschen im Grünen zu leben. Leute, für die in einer perfekten Welt Katzen faul in der Sonne badeten, Vögel ununterbrochen fröhlich in den Bäumen zwitscherten, prächtige Blumenkästen an den Fensterbrettern hingen und das Pflaster jeder Hofeinfahrt mit

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