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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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der Polizei zu melden – unter den Männern war auch Marko Assmuth gewesen, ein Bulle. Sie hatten nie wieder etwas von dem Dänen gehört.
    »Da hast du’s«, sagte Eggers und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust.
    »Oder die Nummer mit Erich Fehrs«, sagte Schütt.
    Mangels drehte rasch den Kopf zur Tür, die in den großen Schankraum führte. »Nicht so laut. Das ist im Augenblick kein gutes Thema. Bei dem Namen werden zu viele Leute hellhörig.«
    »Aber wenn’s doch wahr ist«, beharrte Schütt auf seinem Standpunkt. »Die Weiber können ihn alle nicht leiden, aber Erich ist kein schlechter Kerl. Nur ein bisschen …« Schütt zuckte die Schultern. »Durch den Wind halt. Und er hat sich nicht immer so im Griff.«
    Eggers nickte beipflichtend. »Oder denkst du jetzt plötzlich, wir hätten damals nicht das Richtige getan?«
    »Doch«, gab sich Mangels geschlagen. »Doch. Haben wir.«
    »Siehst du. Jemand Fremdes hätte das nie verstanden«, sagte Eggers, und Mangels konnte ihm nicht widersprechen. Er fühlte einen schwachen Anflug von Mitleid für Jule Schwarz, aber es war schließlich nicht seine Schuld, dass ihre Firma dachte, die Einwohner von Odisworth kämen mit ihr besser zurecht als mit Andreas, den sie gut kannten. Andreas hätte man so einiges im Vertrauen erklären können, aber ihr? Unvorstellbar. Die Geheimnisse von Odisworth blieben in Odisworth – so war es immer gewesen, und so würde es auch immer sein.

29
     
    Kurz nach zwölf fuhr Jule auf einen Schotterparkplatz mitten im Schanzenviertel direkt neben einer S-Bahn-Brücke. Trotz der Klimaanlage, die sie mithilfe der Bedienelemente am Scheibenwischerhebel auf angenehme 21 Grad reguliert hatte, war sie schweißgebadet.
    Schuld daran war nicht der Teil der Reise zurück in die Zivilisation, den sie auf der Autobahn hinter sich gebracht hatte. Da war zu ihrer eigenen Verwunderung sogar ihr üblicher Tunnelblick ausgeblieben. So war sie in der Lage gewesen, ihre Gedanken immer wieder für kurze Momente schweifen zu lassen. In erster Linie waren es die noch frischen Erinnerungen an die sonderbaren Menschen aus dem Dorf, die nicht zu bändigen waren und wie Gasblasen aus einem unermesslich tiefen Sumpf aus ihrem Unterbewusstsein aufstiegen. Sie musste an Mangels denken, wie herrisch er mit seinem halb blinden Hund umsprang, während er ihr gegenüber buckelte. An Malte Jepsen, der ihr wie ein mürrischer Hügeltroll aus einem Bilderbuch ihrer Kindheit vorkam. An dessen Frau, die den Mund nicht halten konnte. Und an Smolski und daran, dass ihre selbst gewählte Einsamkeit und auch Enthaltsamkeit in der letzten Zeit vielleicht doch nicht das waren, was sie wirklich wollte.
    Von Smolski wanderten ihre Gedanken nach einer Weile wieder zu der jungen Frau, deren Leiche man in Odisworth gefunden hatte. Ständig musste sie an diese arme Frau denken. Wenn es kein gezielter Anschlag gewesen war, hätte sie selbst genauso gut an ihrer Stelle in dem Wald verscharrt werden können. Ob ihr diese Frau auch in anderen Belangen als nur dem Äußeren geähnelt hatte? Hatte sie bei den gleichen Filmen zum Taschentuch greifen müssen? Über die gleichen Witze gelacht? Von diesen Fragen war es nur ein kleiner Schritt zu anderen erschütternderen Rätseln. Wie sehr hatte diese Frau leiden müssen, bis ihr Martyrium überstanden war? Wo hatte sie ihr Leben verloren, wenn nicht dort, wo ihre Leiche gefunden worden war? Hatte sie Verwandte, die noch immer darauf hofften, sie lebend wiederzusehen, und die nun bald die schreckliche Wahrheit erfahren würden? Was war das Letzte, das sie gesehen hatte? Die Augen ihres Mörders? Der Nachthimmel? Was hatte sie gefühlt, als sie begriffen hatte, dass sie sterben würde?
    Jule war bewusst, welches Risiko sie damit einging, sich so sehr mit dieser Frau zu identifizieren. Dass sie sich Fragen stellte, die sie sich nicht stellen durfte. Jule hatte sich vor langer Zeit in einem anderen Zusammenhang ganz ähnliche Fragen schon einmal gestellt und darüber beinahe den Verstand verloren.
    Als sie von der Autobahn abgefahren war, hatte der Stadtverkehr Jules neu gewonnene Selbstsicherheit hinter dem Steuer sofort wieder zunichtegemacht. Ihr war so, als hätte sich jeder Mensch auf Hamburgs Straßen gegen sie verschworen: der alte Mann, der mit nach vorn gerecktem Stock und ohne Rücksicht auf Verluste auf einen Zebrastreifen trat und sie zu einer Vollbremsung zwang; die Fahrerin vor ihr, die aus unerfindlichen Gründen

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