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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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dieser Gegend sehr gut auskennt«, gab Hoogens zurück. Er biss in den Keks und wischte sich Krümel vom Hemd. »Und das legt nun einmal nahe, dass er unter ihren Schäfchen sein könnte.«
    »Stellen Sie sich ernsthaft vor, jemand wäre zu mir gekommen und hätte mir unter Tränen gestanden, dass er diese Frau so furchtbar zugerichtet hat?«
    Ihr unterschwelliger Spott ließ Hoogens kalt. »Ich weiß es nicht. Deshalb frage ich Sie ja.«
    »Dann muss ich Sie enttäuschen«, erwiderte Jannsen spitz.
    »Schade.« Er zuckte die Achseln. »Aber gibt es vielleicht jemanden, dem Sie so ein Verbrechen zutrauen? Ganz unter uns, versteht sich.«
    »Ganz unter uns …« Sie schlug die Beine übereinander und nippte an ihrem Tee. »Nein.«
    »Das überrascht mich«, räumte Hoogens ein.
    »So?« Ihr Misstrauen war nicht zu überhören.
    »Ja, weil ich und meine Leute hier ziemlich häufig ein und denselben Namen als Antwort auf diese Frage gehört haben.« Er legte eine kleine Kunstpause ein, in der er die zweite Hälfte des Kekses aß. »Erich Fehrs.«
    Jannsen schürzte ihre schmalen Lippen. »Das kann ich mir denken. Erich hat nicht den besten Ruf im Dorf. Aber ein Mörder ist er nicht.«
    »Das klingt sehr überzeugt«, sagte Hoogens.
    »Ich gebe mir prinzipiell Mühe, nur meinen festen Überzeugungen Ausdruck zu verleihen.« Sie legte den Kopf schief, als wäre ihr ein Gedanke gekommen. »Wissen Sie, wie selten hier so etwas Schreckliches wie Mord passiert?«
    Hoogens horchte auf. »Soweit es die Akten hergeben, ist das der erste Mord auf Odisworther Gemarkung überhaupt.«
    »Falls die Frau tatsächlich hier umgebracht wurde und der Mörder nicht nur ihre Leiche bei uns vergraben hat«, korrigierte ihn die Pastorin.
    Hoogens nickte. »Richtig.«
    »Aber Morde sind nicht die einzigen tragischen Vorfälle, die sich ereignen können.« Jannsen blickte an ihm vorbei aus dem Küchenfenster. »Anfang der Zweitausender gab es einen Brand hier bei uns. Eine wahre Katastrophe, die eine kleine Familie nahezu völlig ausgelöscht hat. Sie wurden im Schlaf vom Feuer überrascht. Allein hätte der Überlebende des Feuers es niemals geschafft, wieder auf die Beine zu kommen. Zum Glück war er nicht allein. Er hatte eine Dorfgemeinschaft, auf die er sich verlassen konnte. Die die Beerdigung für ihn abgewickelt hat und die Auseinandersetzungen mit der Versicherung.«
    »Warum erzählen Sie mir das?« Hoogens runzelte die Stirn. Versuchte sie gerade, ihn auf etwas hinzuweisen oder von etwas abzulenken?
    »Damit Sie begreifen, was nach solchen Ereignissen wie diesem Brand oder diesem Mord in Odisworth geschieht.« Jannsen faltete die Hände wie zum Gebet. »Wir rücken noch enger zusammen und bauen darauf, dass unsere Gemeinde gestärkt aus den Zeiten arger Bedrängnis hervorgeht.«
    Hoogens hatte das verstörende Gefühl, dass diese dürre Frau tatsächlich viel mehr über die Vorgänge im Dorf wusste, als sie ihm jemals offenbaren würde. »Wollen Sie mir vielleicht sagen, dieses Zusammenrücken könnte unter Umständen dazu führen, dass ein Mörder geschützt wird?«
    Sie hob abwehrend die Hände. »Ich habe Ihnen nur gesagt, dass wir Odisworther zusammenstehen, wenn es die Situation erfordert. Mehr nicht.«
    Hoogens kniff die Augen zusammen. O ja, sie spielte mit ihm. Nun denn, er wollte kein Spielverderber sein. Es würde Spaß machen, diese überhebliche Frau von ihrem hohen moralischen Ross zu stoßen. »So viel Solidarität ist ja richtig rührend. Kompliment. Doch dieser wechselseitige Schutz, von dem Sie da reden, erstreckt sich aber eindeutig nicht auf alle Menschen, die in Odisworth leben, oder? Ich bin da nämlich einem jungen Mann im Wald begegnet. Jonas Plate. Ich nehme an, Sie kennen ihn. Vom Alter her müsste er bei Ihnen im Konfirmandenunterricht sitzen. Der sah alles andere als glücklich aus. Er hat sogar gesagt, er habe keine Freunde und niemand könne ihn leiden. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber nach einer vollständig intakten Dorfgemeinschaft hört sich das für mich nicht an, wenn man den Knaben derart hängen lässt.«
    »Er wohnt noch nicht lange hier. Er muss sich noch einleben«, sagte Jannsen lapidar. Sie reckte ihren faltigen Hals, um über Hoogens’ Schulter einen Blick auf die Küchenuhr zu werfen. »Es tut mir sehr leid, aber ich habe gleich Chorprobe. Falls Sie also keine weiteren Fragen an mich haben …«
    Hoogens erkannte den Hinweis als das, was er war: ein Rauswurf. Er wertete dieses

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