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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Gespräch trotzdem als Punktsieg für sich: Er hatte Ute Jannsen immerhin so viel Unbehagen bereitet, dass sie ihn loswerden wollte. Sie konnte mit Druck beileibe nicht so gut umgehen, wie sie sich wahrscheinlich selbst einredete. Das waren ideale Voraussetzungen, um den Polen in ein, zwei Tagen noch einmal bei ihr vorbeizuschicken und sie von ihm in die Mangel nehmen zu lassen.
    Vor dem Pfarrhaus rief Hoogens Smolski an. »Wäre gut, wenn du der Pastorin bei Gelegenheit noch mal auf den Zahn fühlst.«
    »Wir fahren die Pingpong-Nummer?«, fragte Smolski.
    »Ja.« Pingpong war ihre Privatbezeichnung für eine Vernehmungsstrategie, bei der erst der eine von ihnen, dann der andere einen Zeugen, Informanten oder Verdächtigen befragte. »Die Tante weiß was und hält sich für oberschlau. Wir kriegen die noch weichgekocht.« Er schlenderte zu seinem Dienstwagen, einem nagelneuen Ford Mondeo in Blau, der ursprünglich als zivile Funkstreife eingekauft worden und dann auf unerfindlichen Wegen bei ihm gelandet war. »Apropos Tanten. Gibt’s was Neues von deiner inoffiziellen Mitarbeiterin?«
    »Du hast mir doch gesagt, ich soll sie in Ruhe lassen«, sagte Smolski. »Also lass ich sie in Ruhe.«
    »Braver Junge«, lobte ihn Hoogens und stieg in den Mondeo ein.
    »Hoogens?« Ein sonderbares Zögern lag in der Stimme des Polen.
    »Ja?«
    »Mir geht da was nicht aus dem Kopf«, gestand Smolski. »Du hast neulich bei Grüner gesagt, der Täter würde sich seine Traumfrau zusammenbasteln.«
    »Ja, und?«
    »Er holt sich große blonde Frauen. Seit Jahren vielleicht.« Smolski sprach sehr leise weiter. »Rita war auch groß und blond.«
    »Hör auf damit, Mann!« Hoogens schlug einen schärferen Ton an, als es angebracht war, um Smolski zur Räson zu bringen. »Quäl dich nicht mit so einer kranken Scheiße! Konzentrier dich auf den Fall.« Er atmete tief durch und wechselte das Thema. »Weißt du zufällig, ob es in Odisworth eine Feuerwache gibt?«
    »Nein«, sagte Smolski knapp. Hoogens hatte ihm offenbar zu kräftig in die Eier getreten. »Wieso?«
    »Nur so. Ich find’s selbst raus. Bis dann.« Er legte auf.
    Hoogens wusste, dass er vielleicht dabei war, der Pastorin doch noch auf den Leim zu gehen, aber er war fest entschlossen, den Brand, den sie erwähnt hatte, näher in Augenschein zu nehmen. Schaden konnte das ja wohl nicht.

51
     
    Als das Navi Jule auftrug, gleich nach der Ortseinfahrt von Odisworth noch vor den ersten Häusern rechts abzubiegen, kam eine Befürchtung in ihr auf: Was, wenn das Navi sie genau zu dem alten Gehöft lotste, von dem sie sich unbedingt fernhalten wollte?
    Sie fand den nötigen Mut, nicht umzukehren, in einer einfachen und rationalen Erklärung: Sie hatte die Adresse von Erich Fehrs ins Navi eingegeben, und daher war es nicht weiter verwunderlich, dass sie in die Richtung musste, in der auch das ausgebrannte Gehöft lag. Immerhin waren Fehrs und der Besitzer des verlassenen Hofes – Nissen? Esbert? – einmal Nachbarn gewesen. Sie versuchte, nicht daran zu denken, dass Fehrs vielleicht gefährlicher war als die Ruine. Ein kleiner Teil von ihr wünschte sich, der jähzornige Bauer wäre schon verhaftet worden und ihre erste Begegnung mit ihm würde in einem Besucherraum irgendeines Gefängnisses stattfinden – kein angenehmer, aber ein durchaus sicherer Ort.
    Die Straße schlängelte sich durch brachliegende Äcker und an ungenutzten Weiden vorbei, auf denen Unkraut wucherte und Wildblumen blühten. Dafür, dass sie scheinbar ins Nirgendwo führte, war sie recht breit und einigermaßen gut in Schuss. Es gab keinerlei Gegenverkehr, worüber Jule froh war, denn so belästigte sie niemanden, als sie gemächlich durch die Landschaft rollte. Wenn das Autofahren überall so wie hier gewesen wäre, wo man sich wie der letzte lebende Mensch auf Erden fühlte, hätte Jule ihre Angst sicher schon längst überwunden. Doch sie wollte sich nicht zu sehr beklagen: Sie hatte festgestellt, dass sie sich mehr und mehr an die Strecke Hamburg-Odisworth gewöhnte.
    Nach einigen Minuten auf der einsamen Straße konnte Jule das Ziel ihrer Fahrt sehen. Das reetgedeckte Fachwerkhaus wirkte neben den wie plumpe Raketen in den Himmel aufragenden Futtersilos, den wuchtigen Rohren des Güllespeichers und dem lang gezogenen Flachbau mit den Stallanlagen wie das Zeugnis einer längst vergessenen, beschaulicheren Vergangenheit.
    Jule stellte ihren Wagen neben einem verbeulten VW-Transporter ab, von dessen Flanken

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