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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Autoschlüssels zwischen ihren Fingern warm wurde. Erst dann wagte sie sich hinter dem Holzstapel hervor. Ihr entging die Ironie nicht, dass sie den Wagen, vor dem sie sich sonst so sehr fürchtete, plötzlich als sichere Zuflucht erachtete.
    »Was wollen Sie? Sind Sie von der Polizei?« Das raue Krächzen eines starken Rauchers.
    »Nein, ich komme nicht von der Polizei«, antwortete Jule. Sie machte zwei Schritte in den Garten, der noch verwilderter war als die Wiesen auf der Herfahrt. »Jule Schwarz von Zephiron. Ich wollte wegen des Windparks mit Ihnen sprechen.«
    Er wischte sich mit beiden Unterarmen den Schweiß von der Stirn, knurrte »Ich habe zu tun«, wandte sich wieder ab und griff nach der Schaufel.
    Schaben, Ächzen, Schlag.
    Es wäre die ideale Gelegenheit zum Rückzug gewesen, aber Schwillmer hatte Jule nicht umsonst zu verstehen gegeben, was er demnächst von ihr erwartete: Ergebnisse. Zudem war Fehrs bislang nur abweisend und nicht wirklich bedrohlich. »Ich warte gern«, sagte sie.
    Schaben, Ächzen, Schlag.
    Die verkümmerten Obstbäume im hinteren Teil des Gartens brachten sie auf eine Idee. Sie ging weiter auf Fehrs zu. »Sie mussten eine Wurzel ausgraben, oder?«
    Auf ihrem Weg durch das hohe Gras ärgerte sie sich, dass sie heute Morgen einen Rock angezogen hatte. Die Halme kitzelten sie unangenehm an den Waden und in den Kniekehlen. Nachdem sie sich Fehrs so weit genähert hatte, dass sie zum Grund des Lochs hinuntersehen konnte, war das Kitzeln sofort vergessen. Im ersten Sekundenbruchteil war es nur heftiger Ekel, der sie schüttelte. Dann war es auch die nackte Angst davor, selbst in dieser Grube zu landen, und aus Jules Kehle stieg ein panischer Schrei. Die Schweine in ihren Ställen antworteten ihr mit einem gierigen Grunzen.

52
     
    Es war nicht mehr viel von dem zu erkennen, was Fehrs da in seinem Garten verscharrte. Lose Erde hatte sich wie ein körniges Leichentuch über einen Großteil des Kadavers gelegt. Eine helle blutverkrustete Schnauze mit schwarzer Spitze, vier große Pfoten, ein buschiger weißer Schwanz – das war alles, was von dem Hund noch zu sehen war.
    Jule wankte einen Schritt zurück, die Hand vor den Mund gepresst. Sie befürchtete, nicht mehr mit dem Schreien aufhören zu können, wenn sie jetzt die Kontrolle über sich verlor. Ein Hund. Das musste der Hund sein, den die Dorfbewohner Fehrs geschenkt hatten, nachdem er von seiner Frau verlassen worden war. Jetzt war dieser Hund tot.
    Fehrs ließ die Schaufel sinken. Er kratzte sich am Kopf, und erweckte den Anschein eines Schuljungen, den sein Lehrer beim Abschreiben erwischt hatte. »Er hat gebissen«, sagte er entschuldigend. »So einen Hund kann ich nicht brauchen.«
    Merkwürdigerweise löste diese sachliche Feststellung kein weiteres Entsetzen in Jule aus. Bei aller Grausamkeit erkannte jener Teil von ihr, den Außenstehende mit einiger Berechtigung als kühl und berechnend erachteten, in Fehrs’ lapidarer Aussage etwas, mit dem sie umzugehen verstand. Etwas, das es ihr ermöglichte, ihre Hand von ihrem Mund zu nehmen und zu nicken. Der Hund war zu bissig gewesen, deshalb hatte er sterben müssen. So etwas kam jeden Tag vor. Zugegebenermaßen fanden die meisten bissigen Hunde auf dem Behandlungstisch eines Tierarztes ein Ende und wurden nicht erschlagen oder mit einer alten Flinte hinter einer Scheune abgeknallt. Doch Jule durfte nicht vergessen, wo sie war. Hier tickten die Uhren eben anders. Die Leute hier zogen die Grenzen zwischen Mensch und Tier sehr scharf. Für viele Stadtbewohner, die ihre Hunde, Katzen und sonstigen Haustiere fast so behandelten, als wären sie Menschen, waren diese scharfen Grenzen ein Affront gegen die Regeln von Mitgefühl und Respekt für andere Lebewesen. Für Erich Fehrs, der seinen Lebensunterhalt damit bestritt, Schweine zu mästen, war das Töten eines Tiers Teil seiner Alltagswelt. Und Jule zweifelte keine Sekunde daran, dass Fehrs den Hund selbst getötet hatte.
    »An so was sind Sie nicht gewöhnt, hm?«, fragte er, als ob er ihre Gedanken lesen konnte.
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    In dem langen Blick, den er ihr schenkte, lag echtes Bedauern. »Ich wollte Sie nicht erschrecken. Möchten Sie ein Glas Selters?«
    »Gern.«
    In ihrem Bestreben, sich so weit wie nur irgend möglich von der Grube zu entfernen, um wieder einen klaren Kopf für die anstehenden Verhandlungen zu bekommen, verschwendete Jule keinen einzigen Gedanken daran, dass sie gerade im Begriff war, das

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