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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Risiko es darstellte. Frau Jepsen hatte sie eindrücklich vor Fehrs’ Jähzorn gewarnt, und Andreas hatte angedeutet, dass hinter Fehrs’ Junggesellendasein mehr steckte als ein simples Verlassenwerden.
    Fehrs packte Jule nicht an der Gurgel oder verfiel in wüste Beschimpfungen. Er schaute ihr nur tief in die Augen und sagte ruhig: »Alle guten Dinge gehen eben einmal zu Ende.«
    Jule reichte diese Antwort nicht. Sie war nun einmal nicht der Typ, der in Verhandlungen klein beigab. Und als genau das sah sie dieses Gespräch. Sie durfte nicht darüber nachdenken, dass man auf Fehrs’ Grundstück eine Frauenleiche gefunden hatte. Dass dort draußen in einem Loch im Garten ein toter Hund lag. Dass sie vor einer Schaufensterpuppe stand, die ein Brautkleid anhatte. Im Moment zählte nur eins: Wirkte sich der Streit, den Erich Fehrs mit seiner Frau geführt hatte, auf seine Bereitschaft aus, Windräder auf seinem Grund zu dulden? Jule trank noch einen Schluck von dem schalen Wasser und sagte: »Ich habe gehört, Ihre Frau wäre ganz überraschend ausgezogen.«
    Fehrs griff nach einer Schachtel Zigaretten auf dem Couchtisch. »Die Leute im Dorf reden viel, wenn der Tag lang ist. Viel zu viel.« Er holte ein Feuerzeug aus der Tasche seiner Latzhose und zündete sich eine Zigarette an. Er sah dem Rauch nach, der von der glühenden Spitze zur Decke aufstieg. »Für die war es vielleicht überraschend. Für mich nicht. Ich wusste, dass sie irgendwann gehen würde.«
    Jule verriet ihm nicht, dass im Dorf viele damit gerechnet hatten, dass Fehrs’ Frau irgendwann ihre Sachen packen und verschwinden würde. Sie tat es aus Kalkül, und sie tat es, um ihn nicht zu verärgern – aber da war noch mehr. Es war der Nachhall des Schmerzes in seiner Stimme, der sie zurückhielt. »Aber wenn Sie doch wussten, dass es irgendwann passiert, hätten Sie dann nicht versuchen können, sie aufzuhalten?«
    Er schaute sie einen Moment mit zusammengekniffenen Brauen an, und Jule erkannte in seinen Augen jenes stürmische Gemüt, das Frau Jepsen Anlass genug war, ihm einen Mord im Affekt zuzutrauen. Sie schauderte. Dann blinzelte er, und der Moment war vorbei. »Nein, das hätte nichts genutzt. Der Lauf der Dinge lässt sich nicht ändern. Sie sind zu jung, um das zu verstehen. Sie gehen davon aus, dass Ihr Leben ein gutes Ende nimmt. Wie im Film. Solange man jung ist, meint man, die Welt würde einem etwas schulden, oder zumindest, dass man die Fäden selbst in der Hand hält.« Er zog an seiner Zigarette, atmete durch die Nase aus und fixierte sie durch den Rauch, der dicht vor seinem Gesicht waberte. »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein«, antwortete Jule. Worauf wollte er hinaus?
    »Dann gilt alles, was ich gerade eben gesagt habe, doppelt und dreifach.« Er zeigte mit einem Finger auf sie, der große Ähnlichkeit mit der Klaue eines Raubvogels hatte, weil er dürr war und der Nagel lang und gelb. »Lassen Sie mich raten: Sie warten noch auf den Richtigen. Den, der ganz genau zu Ihnen passt. Und wenn Sie ihn gefunden haben, werden Sie zusammen glücklich bis an Ihr Lebensende. Habe ich recht?«
    »Ist es falsch, sich das zu wünschen?«, gab Jule zurück.
    Fehrs nickte heftig. »Ja. O ja. Natürlich ist das falsch. Weil es eine Lüge ist. Weil man sich damit selbst belügt. Es gibt kein ›glücklich bis ans Lebensende‹.« Sein Blick wanderte von Jule zur Puppe. »Einer geht immer. Früher oder später. Einer geht immer, ganz egal, was man auch tut.« Er atmete tief durch. »Aber jetzt mal ehrlich, Frau …?«
    »Schwarz«, half ihm Jule aus.
    »Frau Schwarz. Sie sind doch nicht hier, um mit mir über meine Frau zu sprechen.«
    Fehrs mochte vieles sein – alt, kauzig, ein wenig verwahrlost. Dumm war er nicht. Jule quittierte seine sprichwörtliche Bauernschläue mit einem knappen Nicken. »Herr Fehrs, lassen Sie uns offen miteinander sprechen. Was muss ich – oder genauer gesagt meine Firma – tun, damit Sie an uns verpachten oder besser noch verkaufen?«
    »Das kann ich Ihnen gerne sagen«, kündigte Fehrs an, dessen Miene immer grimmiger wurde. »Das können Sie sich alles sparen. Da können Sie rein gar nichts machen.«
    Jule stockte der Atem. Hatte sie etwa erneut auf eine völlig falsche Strategie gesetzt wie bei der Gemeinderatssitzung? Sie überlegte, ob sie das Thema zur Sprache bringen sollte, das ihr Chef empfohlen hatte. Fehrs würde gute Anwälte brauchen, falls sich die Verdachtsmomente gegen ihn erhärteten.
    Der alte

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