Der Wind bringt den Tod
Schlafzimmertür gezeigt und voller Unschuld gefragt: »Warum steckt der Schlüssel außen?« Dann erst hatte Mangels verstanden, was sich wirklich in diesem Haus abgespielt hatte.
Bismarcks aufgeregtes Bellen riss Mangels aus seinen Erinnerungen. Der Hund rannte laut kläffend um seine Beine, wobei seine Schnauze immer in dieselbe Richtung zeigte. Irgendetwas musste hinter Mangels sein. Er drehte sich um.
Eine hagere Gestalt kam den Feldweg herunter auf ihn zu. Mangels erkannte die Person an ihrem schwankenden Gang. Erich Fehrs. Als Fehrs nahe genug war, roch Mangels den scharfen Gestank von billigem Korn.
»Na, auch hier?«, fragte er, weil ihm nichts Besseres einfiel.
Bismarck schnupperte interessiert an Fehrs’ Schuhen. Der Bauer schien einen Moment darüber nachzudenken, ob er den Hund streicheln oder treten sollte. Schließlich tat er keins von beiden, sondern hob den Kopf und zeigte in Richtung des Gehöfts. »Glaubst du, wir haben damals einen Fehler gemacht?«
»Nein, er war doch schon gestraft genug. Wir wussten doch, wie das mit Klaas und ihm ausgehen würde.« Mangels dachte daran, wie er nach dem Brand allen Odisworthern einen Besuch abgestattet hatte, um sie davon zu überzeugen, nichts auf das Gerede von Walter Basedau von irgendeinem Schlüssel, der außen an der Schlafzimmertür gesteckt haben soll, zu geben. Sie hatten alle verstanden, was er ihnen eigentlich sagen wollte, und sie hatten seinem Wunsch entsprochen. »Der Junge konnte nichts dafür. Mir tat es nur um Jette leid.«
»Ich habe Klaas gewarnt, dass er es mit dem Jungen nicht übertreiben soll«, sagte Fehrs nachdenklich. »Und weißt du, was er gemacht hat? Er hat nur gelacht und gemeint, ich soll mich besser um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Wir haben viel zu lange gezögert«, räumte Mangels schweren Herzens ein. »Wir hätten es vielleicht verhindern können. Wenn du einen Hund zu lange schlägst, fängt er eben irgendwann an zu beißen.« Er nahm den Kopf zur Seite und spähte den Feldweg hinauf. »Wo wir gerade von Hunden reden: Wo ist eigentlich deiner?«
»Weg.« Fehrs zuckte die Schultern. »Ich hab ihn wohl einmal zu oft geschlagen.«
62
Stefan Hoogens wurde aus der Akte zu dem Brand in Odisworth, der im Sommer 2001 zwei Todesopfer gefordert hatte, nicht schlau. Seit zwei Stunden brütete er darüber in seinem Büro in der Polizeidirektion Husum, das er sich mit dem Polen teilte. Warum hatte Ute Jannsen diesen Brand erwähnt? Wollte die Pastorin ihn am Ende nur auf eine falsche Spur locken?
Am nahen Bahnhof fuhr eine der letzten Regionalbahnen ein. Die Bremsen des Zuges kreischten schrill durch die Nacht. Hoogens stand auf und trat ans offene Fenster. Von der anderen Straßenseite lockte die Leuchtreklame des »Kap Horn«. Er hatte durchaus Lust auf einen kleinen Absacker in der rustikalen Kneipe. Er besann sich eines Besseren, als er Smolskis Passat unten auf den Parkplatz einbiegen sah. Er hatte mit dem Polen noch etwas Dringendes zu klären.
Er setzte sich zurück an seinen Schreibtisch und schlug die Brandakte noch einmal auf. Die Ursache des Brandes war mit Blitzschlag angegeben, und er sah keinen Grund, daran zu zweifeln. Es gab erstaunlich wenige Fotos, aber eines zeigte den Baum, in den der Blitz eingeschlagen hatte und der dann auf das Dach des Bauernhauses gekippt war. Er war nicht verrückt genug, um sich einen Brandstifter vorzustellen, der erst einen Baum anzündete und dann hoffte, er würde genau auf das Haus fallen. Eine der anderen Aufnahmen gab ihm jedoch zu denken: Die Beine des männlichen Opfers standen in einem nahezu rechten Winkel von seiner Hüfte ab. Hoogens hatte so etwas bislang nur ein einziges Mal gesehen – nach einer Verfolgungsjagd, bei der ein Verdächtiger auf einem Motorrad hatte flüchten wollen und sich nach einem spektakulären Sturz beide Beine gebrochen hatte.
»Hi.«
Hoogens schaute auf. »Hi.«
Smolski steuerte zielstrebig zu seinem Platz auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches, schaltete seinen Rechner an und hängte seine Jacke über die Lehne seines Drehstuhls.
Hoogens schlug die Akte zu. »Gabriel?«
Smolski reckte sich so weit, dass sein Kopf halb über den Rand seines Monitors ragte. »Hm?«
Hoogens bildete sich ein, seine eigenen Stärken recht gut zu kennen. Entschuldigungen zählten leider nicht dazu. »Also pass auf, ja? Das von wegen Rita und dieser Schwarz neulich … das war nicht so gemeint. Ich kann manchmal ein Arschloch
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