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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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ihr gar keine Zeit. Außerdem war Granddad ihre erste Liebe.«
    »Ehrlich? Sie war doch schon über dreißig, als sie ihn kennenlernte.«
    Es folgte die kleine Denkpause, die für meine Mutter typisch ist. Ein kurzes Schweigen, das irgendwie berechnend wirkte. »Warum fragst du?«
    »Einfach so«, erwiderte ich wenig überzeugend. Jetzt hatte sie Witterung aufgenommen.
    »Em, wenn du etwas weißt, das ich nicht …«
    »Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Warum erkundigst du dich nach Grandmas Vergangenheit?«
    »Weil ich hier in ihrem großen, alten Haus sitze und mich frage, ob sie allein darin gewohnt hat. Und ob sie einsam war.«
    »Bist du einsam? Soll ich kommen? Dir beim Aussortieren helfen? Also wirklich, du solltest nicht mehr lange dortbleiben. Du gehörst zu uns nach Sydney. Zusammen sind wir schneller. Ich kann morgen fliegen und deine Sachen gleich mitbringen.«
    Ich war ihre Überredungsversuche gewohnt, hatte sie in London tausendmal erlebt.
    »Nein, Mum, es geht mir gut. Schick mir einfach meine Sachen. Ich bin gern allein. Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Komm bitte nicht.«
Bitte, bitte, komm nicht.
    Doch sie hatte Lunte gerochen, und ich wünschte, ich hätte es nicht erwähnt. Gleichzeitig fragte ich mich, ob ich von Onkel Mike mehr erfahren würde, wenn ich es richtig anstellte.
     
    Am Donnerstag trafen meine Sachen ein.
    »Was hast du denn da?«, fragte Monica neugierig, als der Kurierfahrer in der Einfahrt zurücksetzte.
    »Meine Sachen. Kleidung und anderen Kram, den ich aus London mitgebracht habe.« Ich kniete mich vorsichtig hin und öffnete das Klebeband am ersten Karton.
    »Du lässt dich also hier nieder?«
    »Nicht so richtig. Na ja, für eine Weile schon.« Ich holte die Kleider heraus und legte sie auf den Boden in der Diele.
    »Lass mich doch das große Schlafzimmer herrichten. Es ist schöner.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Alle Zimmer sind schön. Es gefällt mir, wo ich bin. Hier, mein Laptop.« Ich stellte ihn auf den Boden. »Ich dachte, ich könnte mir einen Internetanschluss besorgen.«
    »Ich rufe die Telefongesellschaft an«, erbot sie sich. »Du brauchst ein Modem.«
    »Das wäre toll.« Ich holte mein Handy hervor. Tot. Ich suchte nach dem Ladegerät, konnte es aber nicht entdecken. Hatte ich es überhaupt aus England mitgebracht? Vermutlich war es noch in der Steckdose.
    Monica nahm das Handy. »Ich kümmere mich darum.«
    Ich musste lächeln, als mir einfiel, dass sie mich als Teenager verehrt hatte. »Du bist wunderbar, Monica, aber ich sollte wirklich lernen, wie man das macht. Ich hatte immer eine persönliche Assistentin und musste mich nie um solche Dinge kümmern. Ich habe einfach nur getanzt.«
    »Aber das ist doch gut.«
    »In mancher Hinsicht schon. Es bedeutet aber auch, dass ich mich aus dieser Welt ausklinken konnte. Dadurch hatte ich es nach dem Unfall viel schwerer.« In der Küche hörte ich den Wasserkessel pfeifen. Monica hatte ihn aufgesetzt, bevor der Kurierdienst kam.
    »Ich mache das schon. Tee oder Kaffee?«
    »Kaffee. Stark.« Die Haustür stand noch offen, und ein breiter Streifen Sonnenlicht fiel auf meinen Schoß, als ich den Karton auspackte. Ein Schwarm Kakadus flog kreischend vorbei, danach herrschte Stille. Ich begann die Stille hier zu lieben, das völlige Fehlen von Verkehrslärm.
    In dem Karton fand ich eine Plastiktüte mit dem Logo von Blaxland Wool und sah neugierig hinein. Darin lag mein Diadem aus
Schwanensee,
das Dad eigentlich wegwerfen sollte. Ich glaube, er war im Laufe der Jahre gegen Anweisungen immun geworden, weil Mum ihn ständig herumkommandierte. Monica kam zurück, und wir setzten uns auf den Boden und tranken Kaffee.
    »Was sagt es über mich aus, dass mein ganzes Leben in vier Kartons passt, während meine Großmutter ein ganzes Haus gebraucht hat?«
    »Das besagt gar nichts. Du hast eben ein anderes Leben geführt.«
    Im nächsten Karton fand ich ein Foto von Josh und mir in einem gesprungenen Rahmen. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich holte es langsam ans Licht.
    »Wer ist das?«
    Ich brauchte einen Augenblick, bevor ich sprechen konnte. »Das ist Josh. Mein Ex-Freund.«
    »Ex-Freund?«
    »Ja. Er hat mich unmittelbar vor meinem Unfall verlassen.«
    »Liebst du ihn noch?«, fragte sie argwöhnisch, und ich bemerkte, dass sie mich sehr genau musterte.
    »Nun, ja. Vielleicht. Ich denke immer an ihn.« Dennoch begann ich ihn zu vergessen. Ich vergaß, wie sich sein Gesicht verzog, wenn er lächelte, wie seine Haut

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